Gallows
Desolation Sounds
Text: Dennis Drögemüller
Für die Exzess-Junkies unter den Gallows-Fans beginnt spätestens mit dem viertem Album “Desolation Sounds” ihr Methadon-Programm: Schon auf dem Vorgänger “Gallows” von 2012 spürte man am schleichenden Zuwachs an melodischen Momenten, dass die Briten sich langsam zu schade dafür sind, die immer gleichen Moshpit-Soundtracks zu schreiben. Nachdem Gitarrist Steph Carter die Band Anfang 2013 als Quartett zurückließ, war die Zeit offenbar endgültig reif für eine Veränderung: Lediglich Leviathan Rot zelebriert noch jene Art ungehemmte Hardcore-Attacke, bei der Wade MacNeil wüst ins Mikrofon keucht und die Gitarren dissonant zwischen den atemlosen Beat kreischen – aber selbst dort, zwischen weiblichem Sprech-Intro und langem Outro-Mantra, gerade einmal eine Minute lang. Die meisten anderen Songs belegen, dass es Gitarrist Laurent Barnard, parallel auch bei der Hardcore/Sludge-Formation Krokodil aktiv, ernst meinte, als er als prägenden Einfluss der Platte den düsteren Sound der Postpunk- und Gothrock-Pioniere Siouxsie And The Banshees angab: Der dunkel dahingleitende Bass, der ahnungsvolle Gesang zu Strophenbeginn und das treibende Tom-Drumming des Titeltracks sind nur eines von vielen Beispielen dafür, wie es klingt, wenn eine Hardcore-Band austestet, wie viele Schritte in Richtung Bauhaus, The Damned und Joy Division ihr Sound verträgt. Natürlich ist fast jeder Song auf “Desolation Sounds” schon wegen MacNeils zornigem Gebrüll härter als fast alles, was in den 80ern aufgenommen wurde. Der fließende Postpunk-Vibe, die rotweinschwere Melancholie und die Lust an düsteren Harmonien scheint aber immer wieder durch – vor allem im mit Sirenengesang und abgehacktem Riffing atmosphärisch starken “Chains” und dem von verhallten Gitarreneinwürfen und Zerrbass sehnsüchtig dahingetragenen “Bonfire Season”. Da kann “Leather Crown” noch so sehr seinen Gothrock-Einstieg mit Hardcore-Galopp wegwischen, “93/93” sich mit einer elektrisch knisternden Bass/Schlagzeug-Kombination und gepressten Grusel-Vocals kurz als Manson-Schockrock tarnen und der Closer “Swan Song” auf einem trotzigen Störgeräusch enden: Gallows haben unwiderruflich die Melodien für sich entdeckt, und das ist für den Hörer ein echter Glücksfall. Und dass “Death Valley Blue” trotz knurrigem Postpunk-Bass und grimmigem Gesichtsausdruck gut zwischen den Queens Of The Stone Age und Type O Negative ins Alternative-Radio passen würde, ist in jeder Hinsicht ein Kompliment.