Die Zeit ohne Patrick Wagner, der sich nach dem Ende der bandgewordenen Math-Rock-Kokainsause Surrogat und seiner Labels Kitty-Yo und Louisville aus der Musik zurückgezogen hatte, war für manche sicher wohltuend. Bequemlichkeit war nie die Prämisse des meinungsstarken Gossenphilosophen. Eine Tradition, die er seit 2015 mit Gewalt, verstärkt um Gitarristin und Sängerin Helen Henfling und Bassistin und Sängerin Jasmin Rilke, fortführt und nun in einem opulenten Doppelalbum nebst Buch bündelt. Wagners Gitarre ist dabei kaum wiederzuerkennen, denn wo Surrogat zu jeder Sekunde laserten, zerschneiden Gewalt mit feiner Eisklinge die Riffs. Sein Gesang hingegen ist in seiner stets etwas superklug wirkenden Schmähhaltung und Emphase unverkennbar. Um eine stoische Drum-Machine kreisend, verweben Gewalt schroffen Noise mit Indie, bewahren sich bei aller Coolness das leibliche Element einer dunklen, schmerzhaften Lust und erschaffen urbane Hymnen, die so sehr nach dem Berlin der 90er klingen, dass man sich wie in einem Märchen aus längst vergangener Zeit wähnt. Die zweite LP bietet eine Auswahl der neun Singles, die Gewalt seit ihrer Gründung veröffentlicht haben, und zeigt die Evolution einer dezidiert unperfekt schabenden Band hin zum Dancefloor der Verweigerung. Anspieltipps? Das ganze verdammte Album!
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