Es bleibt dabei: In Belgien spielt die Musik. dEUS und Soulwax ritten vor, nun könnte sich die nächste Band größere Meriten erspielen. Ghinzu sind sechs breit aufgestellte Indie-Hedonisten, die zerlegen und trösten, zuschlagen und umarmen, sich von Piano-Pop bis Trümmer-Noise auf alle Spielarten verstehen und auch vor gewitzt eingesetzter Elektronik nicht zurückschrecken. Wer hier an Cooper Temple Clause denkt, denkt richtig, auch die letzten beiden Archive-Platten dürfen gerne als Referenz herhalten. Reichhaltig, wertvoll, eigen – unter den Afroperücken der leicht spinnerten Flamen ist Platz für hundert Gesichter und tausend Ideen. Den Startschuss gibt der Titeltrack, ein knapp neunminütiger Klotz aus warmem Edelholz, der sich vom Atmo-Intro über synthetische Geigenhimmel hin zu einem offenen, aber dennoch bestimmenden Beat aufschwingt, nach und nach hypnotischer geratend. “‘Til You Faint” hingegen ist eine herrlich infantile Bumsnummer, deren Hysteriegehalt Nick Oliveris Nummern für die Queens nahe kommt. Das folgende “The Dragster-Wave” schlägt wieder völlig andere Töne an: Poetischer Text, elegisches Pianozwischenspiel, galant schmiegen sich Gitarrenfiguren an, dann kommt der Schwellkörper, es zieht, drückt und bläst, der Anschlag wird härter, die Glorie größer. Auch “High Voltage Queen” geht diesen Weg, beginnt als luftig-ironische Indiepop-Hymne und endet ganz oben am Gipfelkreuz, wo die Luft dünner wird und die Ohren sausen. Ghinzu können, so scheint es, alles: Das Zarte, Balladeske. Und das Harte, Fordernde. “Mine” paart Boogieriffs mit Housefilter-Alarm und gipfelt in einem Led-Zep-Finale, “Sweet Love” badet in tränenziehendem Pianoschmalz. Die Neugier, was passiert, wenn man alle Möglichkeiten ausschöpft, treibt Ghinzu voran, doch die Lust am Arrangement verkommt hier nicht zu selbstzweckhaften Fingerübungen, sondern führt am Ende stets zum Ziel. Zu Songs mit Herz und Seele. Zu Songs, die atmen und keuchen, herzen und meucheln.
weitere Platten
Mirror Mirror
VÖ: 27.08.2010