Folkpunk strikes back – mit der Basis in New York, wo sich schon immer die bunte Welt tummelte. Natürlich dudeln die Kelten wieder, auch italienische und skandinavische Acts. Den aktuell größten Lärm veranstalten aber die unglaublich selbstbewussten Ukrainer. Erst die Revolution in Orange, dann den Eurovision Song Contest gewonnen und die WM-Quali geschafft: Kein Wunder, dass die ukrainischen Delegationen durch NYC rennen und auf die Pauke hauen. Vorneweg preschen Gogol Bordello, ein bunte Truppe mit markantem Kapitän: Eugene Hütz, als DJ Verfechter der Punk und Dance-Fusion, als Schauspieler in der Jonathan Safran-Foer-Verfilmung “Alles ist erleuchtet” an der Seite von Elijah Wood zu sehen. Hier singt er den “Immigrant Punk”, plakative Hymnen über Typen am Rande der US-Realität, die sich über die Paranoia der Ur-Amerikaner wundern, dagegen anschreien. Zusammengehalten wird das Paket von Produzent Steve Albini und dem musikalischen Maestro Oren Kaplan von Firewater. Was “Gypsy Punks” bei aller Kraft zwischen Russendisko und den aus Wedding Present-Leuten formierten The Ukrainians noch fehlt, sind die Zwischentöne. Melancholie – das zweite, wichtigere Standbein der osteuropäischen Seele – entdecken sie hoffentlich beim nächsten Mal.
André Boße – 8
Es gab einmal eine Zeit, in der sich US-“Komiker” wie Weird Al Yankovic mit Polka-Persiflagen auf Rocksongs eine goldene Nase verdient haben. Ob Gogol Bordello das wissen? Professionell genug ist das Umfeld ja (siehe links). Da lässt sich der eine oder andere Dollar verdienen. Denn Amerikaner lieben das Exotische, ob es qualitativ gut ist oder nicht. Da reicht schon ein leichter oder gerne auch starker Akzent. Fragen Sie nach bei Klaus Meine von den Scorpions oder besser noch: bei Till von Rammstein. Eugene Hütz, der Chef des internationalen Musik-Kombinats Gogol Bordell, stammt aus der Ukraine. Über die ehemalige Sowjetrepublik weiß man nicht viel, aber doch soviel: Als eine Hochburg für relevante Rockmusik ist das Land nicht bekannt. Daran wird auch dieses Album nichts ändern. Volkstümliche Weisen dominieren dieses Album, Akustikgitarren verirren sich in den Songs genauso wie ein Akkordeon, mal Reggae, mal Polka, ungelenker Punk, Flamenco. Kurz gesagt, “Gypsy Punks” ist ein Multi-Kulti-Soundtrack aus dem Nationalitäten-Schmelztiegel Big Apple, Hütz in Downtown New York City so etwas wie eine Berühmtheit. Wie kann man dieses Album kritisieren, ohne in den Verdacht zu geraten, tendenziell Probleme mit Volksmusik zu haben? Ich mache es trotzdem: Diese Mischung aus allen Klischees der Folklore mag Kunst sein, man muss sie aber deswegen nicht mögen.
Jörg Staude – 5
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