Klar, technisch mag das stimmen, schließlich haben die Waliser seit ihrer Gründung vor fünf Jahren noch kein ganzes Album am Stück aufgenommen und veröffentlicht. Der Welpenbonus hat sich trotzdem längst mit einer Reihe von EPs erledigt, von denen sie eine im Herbst 2012 so geschickt zu Whats Left To Let Go verlängerten, dass keine Naht zu erkennen blieb. Dabei ist Makellosigkeit kein Hobby der Goodtime Boys, die ihre Narben schon auf Touren mit Pianos Become The Teeth und Defeater vorgezeigt haben. In dieser Szene zählt, wer kaputt ist und daraus brutal Schönes macht, nur dass die Goodtime Boys dabei immer die Kampfhunde unter den Dackeläugigen geblieben sind. Wie Touché Amoré und alle anderen klauen sie sich die Grundlagen aus dem Posthardcore, aber Kids-Style, mit dicken Hosen und miesen Familiengeschichten, die sich eher bei den heftigen Russian Circles wiederfinden als in der zarten Besaitung von Explosions In The Sky.
Statt zwischen rhythmischem Geschrei und kontemplativen Bögen abzuwechseln, prescht “Rain” mit der Wut des New York Hardcore voran und lässt die Gitarren dabei hastig nach Raum greifen. Seine Refrains schmettert Alex Pennie schon wieder täuschend nah am spuckschwitzenden Fucked-Up-Asi Damian Abrahan vorbei, und auch in den Strophen muss man weniger Angst um den kurz geratenen Sänger als vor ihm haben. Wo seine Freunde vor lauter tragischer Welt und persönlichen Problemen immer kurz vorm dramatischen Umknicken sind, spannt Pennie die tätowierten Waden umso fester an. Im Tagebuch-Kreis behalten sie ihn trotzdem, weil er dabei eben keine alten Hymnen über Hardcore-Werte brüllt, sondern sich den tragischen Gefühlen widmet. Rain ist das Album für die sensiblen Szenekids, die sein blumiges Cover als Muscleshirt tragen würden, weil sie bei der Nachdenklichkeit das Pumpen nicht vergessen.
Wer lieber mit einem guten Lyrikband auf der Bank sitzen bleibt, kommt da ein Stück zu kurz und darf sich höchstens mit dem Song Daydreamer gemeint fühlen, der auf 1:37 komplett auf Gesang verzichtet und einfach nur auf schönen Postrock macht. Sowieso ziehen Goodtime Boys den Trick vom letzten Mal hier andersherum auf und teilen ihr Album gefühlt in eine straighte EP plus besondere Bonustracks. Folsom ist der emofreundliche Song, den von Title Fight bis Citizen alle blind übernehmen würden, die mit 90er-Gefühl und Never Let Me Go-Zeilen viel anfangen können, und Newspaper Sky drückt dann doch so richtig auf die Tränendrüse. Debütalbum? Die Schlingel.
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What's Left To Let Go
VÖ: 26.10.2012