“I’m gonna get me in trouble someday” – Beth Ditto wusste es, jetzt ist’s so weit. Der Vorwurf lautet Räuberei. Zwei Jahre 80s-lastiger Indie hatten wir, und nun (re)zitieren Ditto und ihre zwei alle, die herausstachen: The Kills (Reverb-Echo-Gitarren und Beat-affine Drums), The Rapture (Basslines; zum Teil kopiert), Yeah Yeah Yeahs (Songwriting und Zinner-Gitarren), auch Death From Above 1979 (Sound, Takt). Das ist ein Vorwurf, aber es bleibt der einzige. Schön ist nämlich vor allem, wie Gossip das Ganze mit der umwerfenden, wahnsinnig vollen Stimme Dittos neu verbacken haben. Dafür gehört der Hut gezogen: für deren angsteinflößende Fähigkeit, hervorragend dargebotenen 80er-Art-Rock mit Aretha Franklin anzufüllen. Die Nähe zur Queen of Soul ist offensichtlich, was erst mal geschafft werden muss. Moderner Soul-Dance-Blues-mit-Punk-im Geiste, das machen Gossip, und da müssen sie sich gar nicht hinten anstellen. Da macht der olle Soul nämlich gleich noch viel mehr Bock – mit Handclaps, House-lastigen Basslines und Kniepel-Gitarren. So unausweichlich wie “Listen Up!” kam vergangenes Jahr kaum jemand mit derartigem Rock um die Ecke – und das geht ganz ohne Krach, geht clean, gedämpft und unaufgeregt. Höre auch “Coal To Diamonds”: eine gefühlsechte Ballade der Coolness. Hier wird relaxt und doch mehr erreicht als bei anderen Haudrauf-Kollegen der Zunft. Gut recycelt!
8/12 Philipp Welsing
Vorsicht, hier geht ein Trend geht um. Der Discopunk ist immer noch in der Stadt, und diesmal hat er noch eine kräftige Rockröhre dabei. Es würde helfen, die 80er nicht miterlebt zu haben. Zumindest rede ich mir das ein, denn eben habe ich an die unsäglichen Funkrocker Mother’s Finest denken müssen. Das ist nicht nett. Auch für mich nicht. Zumal Gossip neben ihren ungemein krediblen Referenzen und zahllosen Artpunk-Buddies eigentlich auch noch mehr als die zur Zeit ein bisschen zu angesagte Drei-Mann-Discopunk-Nummer auf der Pfanne haben, speziell Beth Dittos Stimme lässt von vornherein in puncto “klassische weibliche White-Soul-Rockröhre” keine Wünsche offen. Aber wer würde sich so etwas eigentlich ernsthaft wünschen wollen? Ansonsten gilt für “Standing In The Way Of Control”: ein weiterer Soundtrack für das Wintersemester 2005/2006 (für Späteinsteiger): hochdynamisch angesplitterte Discodrums plus effizient sparsame Gitarren, asymmetrische Frisuren, ein paar Elektrosprengsel, die LCD Soundsystem-Cowbell (hat der alte Hund Murphy es doch noch geschafft), eine hochwirksame und knochentrockene Guy-Picciotto-Produktion und ein ordentlich angebumster Le Tigre-Remix des Titeltracks, dem jetzt schon ein Tanzflächenabo garantiert werden darf. Trotzdem: ein bisschen wie das, was an den Yeah Yeah Yeahs hätte fies werden können. Ein bisschen wie H&M, wenn’s Licht aus ist.
5/12 Jan Bauckhorn