Bis auf eines sind sämtliche Stücke von “Ruins” das Ergebnis einer Residenz im portugiesischen Aljezur, das abseits der Touristenpfade und des geschäftigen Großraums Lissabon zur künstlerischen Kontemplation einlädt. Alleine mit einem Mikro, Vier-Spur-Rekorder und Klavier nahm Harris bereits 2011 sieben skizzenhaft klingende Songs auf. Sparsame Harmonien, introvertiertes assoziatives Spiel ohne Emphase oder übertriebene Expression und ein fast teilnahmsloser Gesang erzeugen ein seltsam intimes Dabeisein, während Harris von verlorener Liebe, Wut und Hilflosigkeit erzählt. Sie selbst möchte das Album sowohl als politisches Statement als auch als Zeitdokument verstanden wissen. Die Songs stehen unter dem Einfluss ihres täglichen Trips zum Strand, der sie kilometerweit durch die Ruinen portugiesischer Dörfer führte – steinerne Zeugen von Krise und Depression. Die Gratwanderung der Künstlerin, die dem Leben – im Angesicht stahlharter Realität – alle Intensität abverlangt, nahm in den abendlichen Aufnahme-Sessions Gestalt an. Das klingt so direkt und ungeschminkt – inklusive aller Nebengeräusche des Hauses und seiner Umgebung: vom Mikrowellenpiepsen bis zu Fröschen und Grillen vor dem Fenster – so liebevoll und eigen, dass “Ruins” tagelang im Bewusstsein hängenbleibt. Ein Album, das sich mit dem leisen Klopfen von “Made Of Metal” hineinschleicht und am Ende mit dem elfminütigen Schwebezustand “Made Of Air”, einer im Studio entstandenen Drone-Sequenz, wie ein Ausatmen verflüchtigt. Kunst braucht keine Lautstärke.