Ein 15-jähriger Bekannter brachte neulich ein Adjektiv zur Beschreibung von Musik ins Spiel, das selten verwendet wird: plausibel. Hier passt es. “Bel Air” ist in sich stimmig vom Scheitel bis zur Sohle. Das Artwork macht deutlich, dass für die Apes die Zeiten vorbei sind, in denen das Ziel darin lag, junge Menschen bei jedem Refrain hüpfen zu lassen. Es sagt: Das hier ist ein Premium-Produkt, kein akustischer Snowboard-Aufkleber. Jeder Song ist Tänzer statt Springbock, die Rhythmussektion orientiert sich an Post-Wave und Uptempo-Rock, und das Songwriting wurde heimlich in Vorlieben aus den 80ern und frühen 90ern getränkt. Das klappt fabelhaft, denn es bedeutet, dass die Band gnadenlos und passioniert Mittel verwendet, die auf direktem Wege zum markanten Popsong führen. Atmosphärische und weit ausholende Melodien, die von “Oh-ho-ho”-Chören flankiert und von Postrock-Flirrgitarren und/oder Synthies getragen werden, letztere gerne mal in der Klangfarbe, die Tony Banks zwischen 1983 und 1986 bei Genesis verwendete. Sandra Nasic lässt in den meisten Songs von “Bel Air” den Modus “freches Mädchen” zu Hause, wählt stattdessen die Anmutung “große Popdame” und erinnert plötzlich Momentweise an Shania Twain. All das ist – man mag es kaum glauben – positiv gemeint. “Bel Air” ist manchmal zu aufdringlich, aber es lässt die eigene Vergangenheit hinter sich und trägt stattdessen alten Popgeist mit den Mitteln des Punch-Rocks in die Gegenwart. So würde Pat Benatar (“Love Is A Battlefield”) klingen, wäre sie eine heutige Rockband. Das muss man nicht lieben, aber es ist: plausibel.
weitere Platten
Walking On A Thin Line
VÖ: 03.02.2003
Don't Give Me Names
VÖ: 02.05.2000
Proud Like A God
VÖ: 06.10.1997