Gus Englehorn
The Hornbook
Text: Sebastian Stöwer | Erschienen in: VISIONS Nr. 383

Kurze Geschichtsstunde: Ein “Hornbook” ist eine Buchstabentafel auf einem Stück Horn oder Holz, die im Mittelalter als eine Art Lernhilfe oder Spickzettel fürs Alphabet oder einen religiösen Text diente. Wer hat’s gewusst? Gus Englehorn jedenfalls weiß so etwas und bedient sich auch sonst an einem wahren Kuriositätenkabinett.
“The Hornbook” zeigt beispielhaft, in welch wundersamer Welt Englehorn lebt. Er vermengt Schauergeschichten mit Fantasy-Figuren und Mythologie, bricht all diese Elemente aber immer auf einer ironischen Ebene – man beachte nur den Marshmallows röstenden Tod auf dem Cover.
Es fällt leicht, sich beim Hören in dieser Schrulligkeit zu verlieren. Doch so lebhaft und verschroben Englehorns Fantasie auch ist (“A Song With Arms And Legs”), so bunt ist die Verpackung: Der ehemalige Profi-Snowboarder übt sich in rumpelndem Garage Rock, psychedelischen Ausschweifungen und Noise. Einfacher zu packende Songs wie “Thyme” – solider Indierock – offenbaren Geheimnisse wie den halben Text des Simon-&-Garfunkel-Klassikers “Scarborough Fair”, der wiederum auf einem mittelalterlichen Volkslied beruht. Diese Wundertütenhaftigkeit ist wahrscheinlich die größte Errungenschaft von Englehorn: Hinter jeder Note könnte schon die nächste Schrägheit lauern. Oder ein Song mit Armen und Beinen.
Das steckt drin: CV Vision, King Tuff, Mac DeMarco
weitere Platten
Dungeon Master
VÖ: 29.04.2022