High Vis
Guided Tour
Schlagzeuger Edward Harper und Sänger Graham Sayle waren einst bei Tremors – der Nachfolgeband von Dirty Money, bei der Sayle seinen Einstand gab. Bassist Jack Muncaster war Teil von Generation, Insist, Payday, Reflect, Standpoint und Walleater. Gitarrist Rob Hammaren wiederum war Sänger der Hardcore-Band Friends Of Ed und Gitarrist bei Shame. Der zweite Gitarrist Martin McNamara hat von Dublin aus mit Crowd Control, Frustration, Loose Nut, Nibiru und Orang Utan die Hardcore-Szene bereichert. Was allen vorherigen Bands gemein ist: Ihre Lebensdauer beschränkte sich meist auf nur auf ein Tape, eine 7-Inch oder ein Demo.
High Vis sind endlich die Band, mit der die Fünf gekommen sind, um zu bleiben. Und so wie es gerade aussieht, könnte das funktionieren. Im diesjährigen Sommer noch etwas verloren im Line-up von Festivals wie Lollapalooza, Hurricane und Southside haben sich High Vis 2022 mit ihrem zweiten Album “Blending” stärker von der Hardcore-Szene emanzipiert als mit ihrem Debüt “No Sense No Feeling” (2019). Es wirkt, als hätten sich High Vis an die Wave-Werdung der Oi!-Punks Blitz und dem poppigen 80s-Hardcore von Uniform Choice’ “Staring Into The Sun” orientiert – angereichert mit dem Brit-Sound der Stone Roses, Jingle-Jangle-Pop und Shoegaze.
Die klassische Hardcore-Wut transportiert gelegentlich noch Sayle mit seiner Art zu singen, die Musik liefert ihm die Flächen und Melodien. Seine Texte sind im Post-Brexit-England angesiedelt, wo er sich als künstlerisch begabter Handwerker durchschlägt, der seine Wut beim Thai-Boxen rauslässt. Auf seiner “Guided Tour” entführt er einen nicht nur mit den schwarz-weißen Cover-Fotos in die grauen Brachen der britischen Industriestädte. “Es soll eine hoffnungsvolle Platte sein”, sagt Sayle, “die gleichzeitig Wut ausdrückt.” Für ihn und seine Mitstreiter ist die Platte eine Flucht vor jener Realität, in der entweder Arbeit rund um die Uhr ansteht – oder der nächste Absturz, um den Alltag zu verdrängen.
Diese Flucht ist überaus gelungen. Die kristallinen, kühlen Melodien des Wave sind da (“Feeling Bless”), der Hardcore kommt in “Drop Me Out” und “Mob DLA” durch, die shoegazige Zartheit in “Deserve It” – und die Nacht im Club gibt’s mit “Mind’s A Lie”, wo Schlagzeuger Ed Harper seine Liebe für House und UK-Garage auslebt, inklusive Gastgesang von Ell Murphy. Im Hardcore hätte es für die Bandmitglieder noch harte Grenzen gegeben, sagt Sayle, “jetzt vermischen sich die Dinge.” Es ist an der Zeit.
Das steckt drin: Blitz, Fucked Up, Uniform Choice
weitere Platten
Blending
VÖ: 30.09.2022
No Sense No Feeling
VÖ: 07.12.2019