The Hold Steady
Stay Positive
Text: Markus Hockenbrink
Aber es ist schon verrückt: Da wird für jeden Scheiß gleich immer gleich ein ganzes Genre aufgemacht, inklusive halbseidener Nachahmer und plattenfirmenhöriger Hurra-Presse, und The Hold Steady stehen immer noch ziemlich alleine da mit ihren warmen Semmeln. Kritikerlieblinge, Thekenband, Jim-Morrison-Hasser, Poeten und Beautiful Loser – alles sind Craig Finn und seine vier schon gewesen, aber mit der kommerziellen Wertschätzung war es bislang nicht allzu weit her. Egal, positiv bleiben. Es dürften sich eh etliche moderne Rockbands beim Hören dieses Albums wie die Zauberlehrlinge bei der Rückkehr des Meisters fühlen. Und der Meister sagt so etwas wie: “Ja, das kann man jetzt beides gleichzeitig haben: Texte mit Niveau und Rock’n’Roll-Arschtritte direkt vom Erzeuger.” The Hold Steady sind sowieso nicht gut auf das Dualsystem zu sprechen. Der Rebell existiert bei ihnen gleich neben dem Stubenhocker, romantisch überhöht von etwas Lebendigem, das Craig Finn immer noch gerne Rock’n’Roll nennt. “Our songs are singalong-songs”, informiert der Sänger gleich im Opener “Constructive Summer” und verlangt danach gleich einmal “double whisky, coke, no ice”. Statt einer Rezension könnte man wahrscheinlich auch bloß den Text dieses Tracks abdrucken, um auf die Band neugierig zu machen. Viele Acts machen nur Spaß, solange man ihre Darbietungen ironisch versteht, The Hold Steady meinen dagegen praktisch alles ernst. “Raise a toast to Saint Joe Strummer, I think he might have been our only decent teacher”, heißt es an gleicher Stelle, Helden, Heilige wohnen nebenan. Andere Bands zehren von einem blutarmen Rock’n’Roll-Mythos, der noch irgendwo von früher her herumliegt, diese Gruppe hat eher etwas Konstruktives beizutragen. “Sequestered in Memphis” spielt mit den Muskeln, aber das ist nicht rohe Gewalt, sondern Energie auf den Punkt. “In the barlight she looked alright/ In the daylight she looked desperate/ That’s when I knew I was desperate, too.” Zerbrochen, geflickt, wiederauferstanden, zäher als Zombies. The Hold Steady entführen dich vom Abschlussball, schleifen dich durchs Geisterhaus und spielen dir anschließend auf einem Cembalo die Hits der Replacements vor. Genau wie ihre Idole aus der Heimatstadt zelebriert die Band nämlich immer noch den Teil der Jugend, für den man keine Handys, Connections oder Gästelistenplätze braucht, ganz zu schweigen von höflichen Umgangsformen. Jugendliche zu mögen ist nicht immer einfach, aber “Stay Positive”, der Song wie das Album, haben sich nun mal auf ihre Seite geschlagen. Hat was Religiöses: “These singalong-songs will be our scriptures.”
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