Das bedeutet einerseits, dass sich die kompositorische Finesse des klassisch ausgebildeten Pianisten Gleb Kolyadin, nicht unbedingt weiterentwickelt hat, geschweige denn Experimente Einzug gehalten hätten. Wo sich “Lighthouse” instrumental gerne ein wenig ins Abenteuerliche verstieg, betonen Kolyadin und Sängerin Marjana Semkina auf dem neuen Konzeptalbum den Schöngeist. Der Titel bezieht sich auf die sogenannte Sargglocke, die man im 19. Jahrhundert, vor allem im viktorianischen England an Gräbern installierte, da die Angst umging, Verstorbene könnten nach ein paar Tagen wieder aufwachen. Über einen Seilzug, der aus sechs Fuß Tiefe nach oben führte, konnten diese sich so der Außenwelt bemerkbar machen. Obwohl sich die Geschichte des Albums um derart Morbides entspinnt, klingt alles zuckersüß und gefällig, wenngleich melancholisch und im Falle des pompösen “Salute” dramatisch. Semkinas Affinität zu Kate Bush und Tori Amos greift auf “The Bell” weniger prominent um sich, viel mehr steht Kolyadin im Mix so weit im Vordergrund, dass manchen Spannungsbögen innerhalb der Stücke die Luft genommen wird, weil die Gewichtung zwischen Gesang und Piano nicht zu stimmen scheint. Immer wenn Iamthemorning zu einer kompletten Band werden und die Möglichkeiten des Prog-Instrumentalwahnsinns, den Kolyadin in der Lage ist, unter Kontrolle zu halten, in “Freak Show”, “Six Feet” oder “Ghost Of A Story” vom Ensemble voll ausgespielt werden, wächst “The Bell” über sich hinaus.