Ein Album wie dieses wirft Grundsatzfragen auf. Soll man einer Band Punkte abziehen, weil sie Jahre nach Sepultura, Soulfly, Machine Head, Korn, Slipknot und ihrem eigenen Erfolgsalbum “Confession” nichts Neues zu sagen hat? Was haben die Horden überkandidelter britischer Post-Waver Neues zu sagen, die vom Vorteil hedonistischer Coolness und ironischer Distanz leben, während Ill Nino die platte ¾-Hosen-Männlichkeit des New Metal ausstrahlen? Wann ist Formalismus erlaubt? Fest steht: “One Nation Underground” ist genre-immanent ein gutes Album. Spielfreudig, straff, eingängig brutal. Zugleich aber auch von einem massiven Schuss Pop durchtränkt, der manche Songs zu unwiderstehlich unterhaltsamen Ohrwürmen macht und anderen den Todesstoß wegen platter Aufdringlichkeit versetzt. Richtig gut sind Ill Nino, wenn sie synchron zum Schlagzeug die Percussions entfesseln und mit Bongos, Kuhglocke und Blechtonnensound plötzlich die Trommelorgie losbricht. Dann möchte man sie anfeuern und nach mehr Salsa, Latin und Tribal schreien, während sie dir einen mächtigen, gelungenen Refrain um die Ohren hauen oder bei “De La Vida” sogar ganz zaghaft die Gefilde von Tool streifen. Am stärksten klingen die letzten drei Tracks, das Finale. Leichte, groovige Santana-Gitarre legt sich vor aufgeräumtes Metal-Riffing und mündet unaufgeregt in einen tollen Pop-Refrain. Es folgt eine Minute lang sachtes Gezupfe mit Feng Shui-Glocken-Stimmung, bevor ein letztes Mal die Hölle losbricht. Hätten sie über die ganze Länge Mut und Lust zu so einer Dynamik gehabt, wäre ihr drittes Album mehr als nur ein Pflichtsieg.