Dabei hätte die Kombination aus verkopftem Hochschul-Gefrickel und der These des österreichischen Philosophen, die dem neuen Album des Quartetts seinen Namen gibt, so perfekt gepasst. Denn laut Watzlawick ist die größte Selbsttäuschung der Menschen die Annahme, es gäbe nur eine Realität – ein Prog-Epos zu diesem Thema schreibt sich mit Sicherheit von selbst. Warum genau sich die Band für den Gegenentwurf entschieden hat, einen direkten, rohen Sound und einen stärkeren Fokus auf eingängigere Rocksongs, ist nicht ganz klar. Was allerdings klar ist: Das Experiment ist ein voller Erfolg. “Overflow” könnte mit seinem grummelnden Fuzz-Bass, Handclaps und geradlinigem Rock-Chorus etwa als B-Seite aus der Schmutz-Ära der Foo Fighters durchgehen. Auf der anderen Seite des Spektrums findet sich “Antitype”, in dessen Text Sänger und Gitarrist Christoph Hessler der Konsumkultur den Mittelfinger zeigt. Entsprechend angepisst ist auch die musikalische Umsetzung: Beginnt der Song noch als schunkelnder Alternative, stapft die Band gegen Ende zielstrebig in Richtung Metal-Morast und streift nebenbei auch Sludge-Gefilde. Zwischen diesen beiden Polen spannt das Quartett eine beeindruckende Vielfalt an Soundlandschaften auf. Die Vielfalt bricht sich mal mit Uptime-Beat, Snare-Wirbeln und bissigen Riffs wie im Titelsong Bahn, mal zelebriert sie wie mit “New Maxim” stramm getakteten Alternative der Marke Billy Talent. Der rote Faden, der das fünfte Album der Mannheimer zusammenhält, ist und bleibt der Gesang Hesslers. Der changiert galant zwischen Radiopop in “Linger” und stellenweise beinahe ruppigem Gebell in “Smoke Screen”, ohne dabei zu sehr in Pathos abzudriften oder wie eine Parodie zu klingen. Durch die Reibung mit der deutlich reduzierten und nahbareren Produktion gewinnt Hesslers auf Hochglanz polierte Stimme deutlich und bietet ein Gegengewicht zu den dreckigen Basslicks und angenehm angecrunchten Gitarren. Dem gegenüber stehen die elektronischeren Ausflüge in “Shipwreck” und die opulenten Bläser, Streicher und Klaviereinsprengsel in “Man On The Moon”, die es nicht gebraucht hätte. Denn eine Erkenntnis bleibt nach dem knapp 50-minütigen Ritt durch den gesamten Alternative-Kosmos: Keiner deutschen Band gelingt der Balanceakt zwischen Pop und Krach, zwischen Art- und Alternative Rock so problemlos wie The Intersphere – auch ohne 140 Spuren pro Song wie noch auf dem Vorgänger.
weitere Platten
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