Es gibt noch immer Leute, die denken, der Beruf Songwriter sei so aufregend wie der von Londons Bürgermeister Boris Johnson: spektakuläre Auftritte, Menschen, die einen zu Füßen liegen, bedingungsloser Individualismus. Dass es anders ist, zeigte zuletzt Sun Kil Moons Mein-Leben-als-Songwriter-Zyklus “Among The Leaves”: Depressiv besetzte erste Reihen bei Konzerten – und wenn überhaupt noch Autogramme, dann für alte Typen in Tennisschuhen. Wer weitere Einblicke in die oft amüsant-groteske Tristesse eines Liedschreibers gewinnen möchte, dem sei James Yorkstons’ Tagebuchsammlung “It’s Lovely To Be Here” empfohlen, wobei in diesem Text der Eindruck entsteht, dass Yorkston es eigentlich ganz lieb ist, dass er durch Amsterdam oder London laufen kann und eher für einen Tagedieb als für einen Musiker gehalten wird. Auch durch seine neue Platte “I Was A Cat From A Book” zieht sich der blassrote Faden der Normalität: Bei dem Titel handelt es sich um den ersten Satz, den Yorkstons Tochter einmal nach dem Aufwachen murmelte. Nur welche Katze aus welchem Buch? Es dauerte einen Tag, bis Yorkston und Tochter fündig wurden. Und wieder keinen neuen Song geschrieben. Immerhin: Die elf neuen Lieder seines sechsten Albums besitzen die gewohnte Klasse. Zwei Fächer beherrscht Yorkston besonders: Ruhige, minimalistische Stücke wie “Catch”, die sich behutsam aufbauen und ungeahnte Größe erreichen, oder schnellere Lieder wie den “Border Song”, bei denen Yorkston so gehetzt wirkt, als habe sein Wecker versagt und er drohe einen Flug zu verpassen.
weitere Platten
The Great White Sea Eagle (mit Nina Persson)
VÖ: 13.01.2023
The Wide, Wide River
VÖ: 22.01.2021
Roaring The Gospel
VÖ: 15.06.2007
The Year Of The Leopard
VÖ: 20.10.2006