Das Misstrauen wächst noch, weil diese Figuren im Zeitalter von do it yourself 2.0 zu Helden ausgerufen werden, während die Bands weiter schrammeln und schrammeln und schrammeln. Jamie T ist eigentlich Bassist. Das sind nie die coolsten, zumindest wenn es Kerle sind. Also schraubt er sein Ego durch Londoner Sample-Aktivitäten und popmusikalische Tüfteleien nach oben, wobei seine Debüt-LP “Panic Prevention” furios beide Pole vereint. Das Resultat: eine tolle Partyplatte – vom Slacker-Aufbruch “Brand New Bass Guitar” über das New-Wave-getränkte “Salvador” und die poppige Soul-Adaption “Calm Down Dearest” bis hin zum Breakbeat-Hit “If You Got The Money”. Es ist sicher kein Zufall, dass Jamie Ts Tonfall an andere britische Einzelgänger erinnert. Klar, Mike Skinner ist der Pate der Bewegung. Aber da hört man auch die Kampfeslust von Joe Strummer und Billy Bragg oder die arrogante Dekadenz der ganzen Libertines-Sippschaft. Wenn ein Einzelner einen so bunt gemischten Cornershop aufmacht, stößt das natürlich manchem großen Nachbar sauer auf. Sollen sie meckern, Jamie T hat die Qualität, das zu ignorieren.
André Boße – 9
Jetzt einmal ehrlich, was soll an dieser Platte aufregend sein? Okay, Jamie T ist jung, ein Star der Londoner Clubszene, tritt dort mit einem Akustik-Bass auf und verkauft hippe Locations aus. Er hat mit Damon Albarn, Fatboy Slim und Björk zusammengearbeitet. Solche Fakten reichen manchmal schon aus, um ein Album ungehört als großartig durchwinken zu können. Dass er ein cooler Typ ist, will ihm sicher auch niemand absprechen. Auch nicht, dass er “es” drauf hat. Musikalisch liegen die Vergleiche zu Mike Skinner nahe, vermischt mit einer dicken Portion Ska-Clash-Reggae-Disco. Die Single “If You Got The Money” ist ein netter Gute-Laune-Song. Ein paar andere schlagen in eine ähnliche Kerbe, aber: Reicht das wirklich schon? Gibt es nicht mittlerweile Typen wie ihn wie den sprichwörtlichen Sand am Meer? Dass der Sound sonderlich innovativ sei, kann mir jedenfalls keiner erzählen; den findet man seit Jahren an zahlreichen Ecken. Und für die dicken Club-Hits fehlen doch irgendwie die zwingenden Beats und fette Hooklines. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Ach so, soll eher so mellow und clever rüberkommen? Der größtenteils unentspannte und fordernde Sing-Sprechstil lässt das auf Albumlänge aber auch nicht zu. Jamie T scheint wieder mal ein Phänomen zu sein, auf das sich die üblichen verdächtigen Zeitgeist-Lifestyle-Formate heute stürzen, um in einem Jahr auf Nachfrage zu antworten: Wer war das gleich noch mal?
Jens Mayer – 6
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