Jimi Tenor versucht sich als ernsthafter Komponist und hat ein orchestrales Werk mit stark filmischem Charakter aufgenommen. Früher, zu Zeiten seines Debüts Intervision und der kleinen Trash-Hymne Take Me Baby fiel in Zusammenhang mit Jimi Tenor öfter der Begriff Easy Listening. Zur zweiten Platte Organism gingen dann einige dazu über, ihn eher im Jazz-Kontext anzusiedeln, offensichtlich, weil er live des öfteren mit einem versierten Ensemble in Erscheinung trat. Sein neues Werk Out Of Nowhere hat der merkwürdige Finne nun gleich mit einem kompletten Orchester aufgenommen, genauer gesagt mit den Musikern des Theaters von Lodz in Polen, angeblich 60 Stück an der Zahl. Liest sich hanebüchen, und so klingt es auch. Tenor hat die zehn Stücke des Albums alle komplett selbst geschrieben – sein erster Versuch als klassischer Komponist, der durchaus beachtlich geraten ist. Out Of Nowhere kann vom ersten bis zum letzten Takt als Filmmusik verstanden werden, alles andere würde wenig Sinn machen. Einige Songs wie das Disco-inspirierte Spell funktionieren zwar auch separat vom Gesamtwerk, doch im Endeffekt bleibt es ein breitwandiger Score mit dunklen, dramatischen, gespentischen aber auch freundlich zurückgelehnten Passagen. So facettenreich, dass wohl kaum ein Film dazu gedreht werden müsste, sondern gleich mehrere. Erhaben schön und irgendwie gewaltig. Allerdings weniger was für die Dance & Groove-Fraktion.
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Soundtrack hin, Facettenreichtum her – das Problem, das sich hier stellt, ist ein anderes: Wer soll bzw. will diese Platte hören? Den Love Parade-Besuchern, die Tenor seinerzeit gemoved hat, wird der konzeptionelle One World, One Future-Überbau, der hier latent mitschwingt, nicht ausreichen, da mit dem Groove dieser Platte nun wirklich kein Staat zu machen ist. Und wer nur sein Take Me Baby kennt und mag, wird sich beim Hören tatsächlich Out Of Nowhere fühlen. Was bleibt, sind im Grunde die Ingredienzen für die musikalisch jung gebliebene Bio-Bauern-Fraktion, die bei Bedarf natürlich flugs ins Coolness-Lunchpaket integriert werden können: Schwurbelige Ethno-Patterns, die an Mike Oldfields Amarok erinnern, Zappa-Zitate, Klassik-Versätze, Jazz-Ähnliches. Und – wie sollte es anders sein: Indien! Sitarklänge! Es hat schon seinen Grund, dass George Harrison auf den Beatles-Beliebtheitsskalen immer ganz unten rangiert… Trotz einiger lichter Momente bleibt Out Of Nowhere im Endeffekt lart pour lart, die leider viel zu oft nach Kulturprofilierungssüchten klingt.
Ingo Neumayer 4
weitere Platten
Live In Berlin
VÖ: 20.04.2007
Utopian Dream
VÖ: 01.12.2003
Higher Planes
VÖ: 27.01.2003
Organism
VÖ: 01.01.1999
Intervision
VÖ: 01.01.1900