“Clarity”, Klarheit für alle. Die wollten vier junge Männer aus Arizona all denen vermitteln, deren Gefühle außer Rand und Band waren. Alkohol, Tabletten, Super Nintendo? All das sind nicht die richtigen Mittel, um wieder zu Verstand zu kommen, Trauer, Kummer und Herzschmerz loszuwerden. Was hilft, ist nur “Clarity”. Ungeheuerlich eigentlich, wie diese nahezu unbekannte Band quasi aus dem Nichts mit so einem Album nicht nur auf der Bildfläche erschien, sondern völlig über den Dingen stand. Für das allererste Album (das kaum jemand kennt) schämten sich Jimmy Eat World. “Static Prevails” schaffte es höchstens zum Geheimtipp in gut informierten Hornbrillenträger-Kreisen. Dann kam Drew Barrymore als Highschool-Journalistin in “Ungeküsst” und mit ihr ein Soundtrack. Darauf zu finden: “Lucky Denver Mint”. Das Stück, das viele mit dem JEW-Virus infizierte. Mit immenser Verspätung von über einem Jahr erschien bei uns plötzlich die dazugehörige Platte. Findige Mailorder-Junkies hatten sich längst die Vinyl-Version zugelegt, die auf dem kleinen Indielabel Big Wheel Recreation erschien. Noch nahm die Masse keine Notiz davon, dass JEW durch kleine Clubs in der Republik tourten. Bevor sich das mit dem Nachfolger “Bleed American” ändern sollte, nutzte “Clarity” die Zeit, um sich zu entfalten. Zwischen den Stühlen aus melodischem Punk, Streicher-Süße, Hardcore-Wurzeln und sachten Elektrospielereien transportierte “Clarity” 13 Songs in unsere Wohnzimmer, Ohren und Herzen, deren Schönheit so unschuldig und schmalzfrei ist, wie man es nur selten zuvor gehört hatte. Sicherlich: JEW werden “Diary” von Sunny Day Real Estate gehört haben. Die Farbenpracht der Pixies werden sie zu schätzen gewusst haben. Und hinter den Reglern saß obendrein Drive-Like-Jehu-Schlagzeuger Mark Trombino. Das alles erklärt jedoch nur unzureichend die schiere Großartigkeit von “Clarity”. Wie konnte ein derartig unschuldiges, zartes Stück wie der Opener “Table For Glasses” bloß derart unkitschig ausfallen? Was verlieh diesen Milchgesichtern bloß die Fähigkeit, so sagenhaft Gefühle mit Musik zu formulieren? Das klang auch mal wütend wie in “Your New Aesthetic” oder “Crush”, musste ja nicht durchweg traurig sein. Zwischen den unerträglich schönen Balladen war zudem pures Hitgold: die Aufbruchshymne “Blister” und das herrlich tanzbare “Believe In What You Want”. Was Jim Adkins und seine Helferlein so einzigartig machte, ist eigentlich erschreckend einfach zu formulieren: Talent. Davon zeugen die aufwändigen Arrangements, die ungewöhnlichen Instrumentierungen oder die vielschichtigen Gesangsharmonien. Auf die Spitze treibt es das 16-minütige Abschiedsmonstrum “Goodbye Sky Harbor”. Jetzt erscheint das Album erneut. Als Zugabe gibt es zwei Bonustracks: “Christmas Card”, das bereits auf der Singles-Compilation vertreten ist, und ein “Sweetness”-Demo. Der übrigens in Wahrheit keinesfalls zu missachtende Vorgänger “Static Prevails” wurde ebenfalls neu aufgelegt.
weitere Platten
Surviving
VÖ: 18.10.2019
Integrity Blues
VÖ: 21.10.2016
Damage
VÖ: 07.06.2013
Invented
VÖ: 24.09.2010
Chase This Light
VÖ: 19.10.2007
Futures
VÖ: 11.10.2004
Bleed American
VÖ: 27.08.2001
Clarity
VÖ: 29.01.2001
Splitsingle mit Jebediah
VÖ: 23.10.2000
Static Prevails
VÖ: 01.01.1900
The Middle (Single)
VÖ: 01.01.1900