Heinz Rudolf Kunze, der sich als Reinkarnation von Randy Newman oder Ray Davies versteht, sagte neulich, es habe ihn besonders gefreut, als eine Zeitung ihn als deutschen John Cale bezeichnet hat. Seltsam ist der Vergleich zum Beispiel, weil Kunze bei Carmen Nebel auftritt, Cale aber als Avantgardist arbeitet. Während sein ehemaliger Velvet–Underground-Kollege Lou Reed heute eindimensional Stimme, Knautschgesicht und Launen für diverse Projekte zur Verfügung stellt, spielt Cale weiter mit den Varianten. Mal repräsentiert er seine walisische Heimat auf der Biennale in Venedig, mal kuratiert er einen Gedenkabend für Nico und spielt dort mit Mark Lanegan und Mercury Rev. Kein Bereich der Kunstwelt, in dem Cale nicht eine Heimat findet. Nur für Soloalben blieb zuletzt wenig Zeit; jetzt gibt es nach sieben Jahren eine neue Platte. Den Titel könnte man mit “Gerissene Abenteuer im Fick-Wald” übersetzen – nein, von Kunze ist Ähnliches nicht zu erwarten. Gleich zu Beginn ein Hit: “I Wanna Talk 2 U” wurde von Danger Mouse produziert und klingt wie die neue David–Bowie-Single, die wohl nie mehr erscheinen wird. Sowieso: Wie der späte Bowie setzt auch Cale auf die Kombination aus rauem Rock und dem, was diese älteren Männer unter Futurismus verstehen. Wer Rustie-Platten zu Hause hat, wird über diese Zukunftsvisionen schmunzeln, und wenn Cale in “Mothra” Autotune nutzt, denkt man an das Bild, das Mitglieder der Piratenpartei von Menschen über 50 haben. Besser ist Cale, wenn er wie Paul Banks klingt. Er kann zwar fast alles, aber verschachtelter Dunkelpop ist seine Meisterdisziplin.
weitere Platten
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Mercy
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M:FANS
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VÖ: 16.09.2011