John Coffey
Four
Text: Jonas Silbermann-Schön | Erschienen in: VISIONS Nr. 366
Allein die Single mit dem bezeichnenden Titel “Steam Waltz” gleicht einer Machtdemonstration, bei der man an seinem Verstand zweifelt und sich fragt, ob sich Every Time I Die wirklich aufgelöst haben und nicht einfach Dennis Lyxzén und Matt Caughthran gemeinsam für Keith Buckley eingesprungen sind. Aber nein, John Coffey sind unverkennbar zurück: Keine Halsschlagader wird so dick wie die von Sänger David Achter de Molen.
Die entscheidenden Fragen stellt er sich zu Beginn direkt selbst: “Where’s the goddamn kids when you need ’em the most/ What ever happened to the fuckers in skinny jeans.” 2016 kündigten die Niederländer nach einer von Kurt Ballou aufgenommenen EP und etlichen ausverkauften Shows – eigentlich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere – eine Bandpause auf unbestimmte Zeit an. Grund: das Privatleben einiger Mitglieder. Die Gitarristen Christoffer van Teijlingen und Alfred van Luttikhuizen machten mit Tusky weiter, vergangenes Jahr brachte Achter de Molen ein Album mit Beachdog heraus. Hand aufs Herz: Beide kamen nie an die spielerische Coolness bei gleichzeitigem All-Over-The-Place-Sound von John Coffey heran.
Das alles hatten sie aber nie verlernt, wie “Four” jetzt beweist. “The Revenue Was Sick!” etwa setzt mit The Bronx im Schwitzkasten zum Stagediving gen große 90s-Alt-Rock-Hymne an, als wäre es das natürlichste auf der Welt. Und auf “Bomb Culture” zerlassen sie obendrauf noch ein Stück 80s-Hardrock-Butter.
Auch live wirkt es, als hätte es die vergangenen sieben Jahre nicht gegeben: Kurz nach Verkündung ihrer Rückkehr spielen John Coffey in einem überfüllten Kellerclub; auf Instagram werden Shirts ausgewrungen und irgendwas tropft von der Decke, was der für seinen Bierbecher-Fang berühmte Sänger gleich mit dem Mund auffängt: John Coffey bleiben Meister ihres Fachs – dennoch ist nicht alles beim Alten.
Bei Beachdog fand Achter de Molen großen Gefallen an Grunge, bricht das aber nun merklich organischer auch in dreckigem Hardcore runter. Mal nuancierter wie im drückenden “The Sunset”, unter Electrobeats und niederländischem Text in “Naaste” oder ganz konsequent in “This Place Is Placeless“, worauf sich die Band, statt zu explodieren, auch mal der implodierenden Welt und Gesellschaft widmet und dafür unironisch mit Synthies und den frühen Foo Fighters flirtet. Mit dem besten neuen Album seit ihrem besten letzten Album dürften John Coffey nun kaum mehr aufzuhalten sein.
Das steckt drin: The Bronx, Refused, Stone Temple Pilots
weitere Platten
A House For Thee (EP)
VÖ: 11.03.2016
The Great News
VÖ: 30.01.2015
Bright Companions
VÖ: 14.09.2012
Vanity
VÖ: 01.01.2009