John Legend & The Roots
Wake Up!
Text: Daniel Gerhardt | Erschienen in: VISIONS Nr. 193
The Roots haben erst im Juli ihr neuntes Album How I Got Over veröffentlicht, eine Platte, die so gut ist, dass sie als Rückkehr zu alter Form aufgefasst wurde, obwohl sie eigentlich nie die Form verloren hatten. Außerdem spielen sie seit März 2009 viermal wöchentlich als Hausband in der Jimmy Fallon Show, tun sich mit den musikalischen Gästen für großartige Einweg-Auftritte zusammen und stellen schon damit alleine die Daseinsberechtigung ihres manchmal etwas tranfunzligen Showmasters sicher.
Wake Up!, benannt nach einem Arcade-Fire-Cover, das Legend und The Roots aufgenommen, aber nicht auf die Platte genommen haben, ließe sich deshalb leicht als unmotivierte Ehrenrunde betrachten, wenn man darauf verzichten würde, sich das Album anzuhören. Schon der Curtis-Mayfield-Opener Hard Times springt einem nämlich ins Gesicht wie die Beats auf den besseren Ghostface-Killah-Platten, und Legend singt, als hätte er nur darauf gewartet, vom Balladen-Schmu befreit zu werden, der auf seinen eigenen Platten immer Überhand zu nehmen droht.
Hier rudert er wild in Hard Times, bauchpinselt über den goofy Reggae von Humanity, quetscht sich durch den Roberta-Flack-Hit Compared To What und reibt sich an Bill Withers' Vietnamkrieg-Absage I Can’t Write Left Handed auf. The Roots kappen dazu alle Leinen, verlängern das Stück auf zwölf unumstößliche Minuten – und zeigen dabei gleiche flugzeugträgergroße Souveränität, die schon How I Got Over ausgezeichnet und in eine Spur zurückgeführt hat, aus der sie nie herausgerutscht waren.