Johnny Cash
American III: Solitary Man
Text: Ingo Neumayer
Johnny Cash geht es den Umständen entsprechend gut. Wobei Umstände meint, dass man natürlich nicht vergessen darf, dass der Man in Black 68 Jahre alt ist und ein extrem exzessives Leben hinter sich hat. Das weiß er natürlich auch, und zwar nicht erst seit gestern. Dennoch: Hieß es auf der letzten Platte Unchained noch mit einer unerreichten Eindringlichkeit Jesus, I dont wanna die alone, liefert American III ein etwas anderes Bild: Das eines alten Mannes voller Würde, Kraft und Weisheit, der seine Dämonen besiegt hat, sich ihrer aber immer noch stets bewusst ist. Er ist mit sich und allem anderen ins Reine gekommen, weiß, was kommen wird, und ist nicht bange darüber: Im going there to see my father / And all my loved ones whove gone on / Im just going over Jordan / Im just going over home (Wayfaring Stranger). Mit dieser beruhigenden Gewissheit im Rücken macht sich der Mann, der seit Kennedy alle US-Präsidentenhände geschüttelt hat, auf und schenkt uns 42 Minuten seines Lebens, seiner Ansichten, seiner Gefühle und Geschichten – auch wenn wieder ein Großteil der Songs nicht aus seiner Feder stammt. Macht aber in diesem Fall überhaupt nichts, Cash war in den letzten Jahrzehnten schon immer mehr der Interpret/Performer und weniger der Songwriter. Seine große Fähigkeit und Kunst ist und bleibt: Er covert nicht, er macht sich Songs zu eigen – eine, nebenbei bemerkt, äußerst uneitle Haltung gegenüber dem Schaffen (meist) Jüngerer, die nicht viele Menschen seines Alters so bereitwillig pflegen. Das hat schon auf den letzten beiden Platten unter Karriereretter Rick Rubins Ägide große Momente hervorgebracht (u.a. Danzigs Thirteen, Soundgardens Rusty Cage, Tom Waits Down There By The Train), und es funktioniert wieder. Reduziert auf das Gerippe und ohne Bonos aufdringliche Pastoralität merkt man dann hier erst einmal, was U2s One für ein großartiger Song ist. Bei Nick Caves The Mercy Seat passen Thema und vor allem die einführende, des Delinquentens Unschuld betonende Strophe, bestens ins Cash-Outlaw-Gesamtwerk, während sich der Song selbst furios steigert: von anfänglich behutsam-sparsamer Gitarrenbegleitung bis zu einem gewaltig hämmernden Piano-Finale. Mit Palace-Kopf Will Oldham singt er dann die ergreifende und zum Heulen schöne Ode an die Freundschaft I See A Darkness, das vielleicht beste Stück der Platte: Well I hope that some day, buddy, we have peace in our lives / together or apart, alone or with our wives. Doch American III hat nicht nur tiefschürfend schwere Gänsehaut-Geschütze zu bieten. Das bockig-augenzwinkernde Selbstmitleid in Nobody macht einen nicht zuletzt dank Cashs grandioser Intonation schmunzeln, während man sich bei der naiven Agrar-Hymne Country Trash zu gerne den kleinen Knirps John R. Cash vorstellt, der 1945 mit diesem Lied auf den Lippen über die Felder von Dyess, Arkansas, hüpft. Wer diese Platte als Country-Mist abtut und ihr so von vorneherein keine Chance gibt, hat nichts, aber auch gar nichts verstanden. Cash sagt übrigens über American III, es sei seine beste Platte. Und ich werde einen Teufel tun, und diesem Mann Widerworte geben.
Mit Palace-Kopf Will Oldham singt er dann die ergreifende und zum Heulen schöne Ode an die Freundschaft I See A Darkness, das vielleicht beste Stück der Platte: Well I hope that some day, buddy, we have peace in our lives / together or apart, alone or with our wives. Doch American III hat nicht nur tiefschürfend schwere Gänsehaut-Geschütze zu bieten. Das bockig-augenzwinkernde Selbstmitleid in Nobody macht einen nicht zuletzt dank Cashs grandioser Intonation schmunzeln, während man sich bei der naiven Agrar-Hymne Country Trash zu gerne den kleinen Knirps John R. Cash vorstellt, der 1945 mit diesem Lied auf den Lippen über die Felder von Dyess, Arkansas, hüpft. Wer diese Platte als Country-Mist abtut und ihr so von vorneherein keine Chance gibt, hat nichts, aber auch gar nichts verstanden. Cash sagt übrigens über American III, es sei seine beste Platte. Und ich werde einen Teufel tun, und diesem Mann Widerworte geben.
weitere Platten
Songwriter
VÖ: 28.06.2024
American VI: Ain't No Grave
VÖ: 26.02.2010
American V: A Hundred Highways
VÖ: 04.07.2006
My Mother's Hymn Book
VÖ: 12.04.2004
Unearthed
VÖ: 25.11.2003
American IV: The Man Comes Around
VÖ: 04.11.2002
Unchained
VÖ: 05.11.1996
American Recordings
VÖ: 26.04.1994