Judas Priest
Invincible Shield
Text: Karlotta Schmidt | Erschienen in: VISIONS Nr. 372
2011 ersetzte Richie Faulkner den legendären Judas-Priest-Gitarristen K.K. Downing, der die Band während der laufenden Abschiedstour verlassen hatte. Seitdem wirken die britischen Heavy-Metal-Miterfinder revitalisiert, vom Aufhören ist keine Rede mehr. “Redeemer Of Souls” (2014) renovierte den Judas-Priest-Sound mit mehr Melodien und wiedererwecktem Ungestüm, “Firepower” (2018) klang trotz Alterserscheinungen sogar noch agiler, hymnischer und mächtiger. Mit “Invincible Shield” drehen Judas Priest nun noch eine dritte Karriere-Ehrenrunde, und die toppt die vorherigen: So viel Spielfreude, Druck und Tempo gab es bei Judas Priest seit “Painkiller” nicht mehr.
Die Leadsingle “Panic Attack” baut sich zu Beginn zwar erstmal 80 Sekunden auf, klingt mit ihren Synthies videospielartig nach Rushs “Tom Sawyer”. Dann aber schiebt das Riff erbarmungslos vorwärts, und in knapp vier Minuten brennen Judas Priest das ganze Feuerwerk ab: Halfords giftige Kopfstimme, die kreischenden Laserwaffen-Gitarren, die unbarmherzige Doublebass, ein spektakuläres Endlos-Gitarrensolo in mehreren Akten – perlschnurartig reihen sich die “Painkiller”-Momente aneinander. Das folgende “The Serpent And The King” drückt sogar noch atemloser und aggressiver, und der Titelsong überrollt einen mit seinem Hammerfall-artigen Gitarrenriffing wie ein chromglänzender Chopper, bevor Halford den Song in der Mitte gesanglich erhebt und einen die Solo- und Outro-Gitarren ins Metal-Walhalla tragen.
Nach diesem imposanten Auftakt öffnet sich das Album etwas: In “Devil In Disguise” flirtet der britische Heavy Metal mit Southern Rock, das Intro von “Gates Of Hell” demonstriert Judas Priests Lust an melodisch schimmernden Gitarrenläufen. “Crown Of Horns” startet als grenzwertiger Midtempo-Schmachtfetzen, doch spätestens, wenn Halford in der Bridge die ganze Welt umarmt, kippt es zu seinen Gunsten.
Die Single “Trial By Fire” läutet schließlich die dritte Phase von “Invincible Shield” ein: Die “Painkiller”-Power bleibt, doch der Ton wird dramatischer, die Rhythmik komplexer, die Songs erinnern an die progressive Spätphase von Iron Maiden; in “Escape From Reality” klingt Halford teilweise wie einer Ozzy Osbourne-Horrorfantasie entsprungen. Trotz solch kleiner Variationen bleibt “Invincible Shield” das ungenierte Selbstzitat einer Legende im 56. (!) Karrierejahr. Aber es ist eben kein typisches Spätwerk-Album, das man wohlwollend durchwinkt: Hier fliegen vor purer Lust am Metal die Funken.
Das steckt drin: Accept, Dio, Saxon
weitere Platten
Firepower
VÖ: 09.03.2018
Redeemer Of Souls
VÖ: 11.07.2014
Nostradamus
VÖ: 13.06.2008
Angel Of Retribution
VÖ: 28.02.2005
Jugulator
VÖ: 16.10.1997
Painkiller
VÖ: 03.09.1990
Screaming For Vengeance
VÖ: 17.07.1982
Killing Machine
VÖ: 09.10.1978