Jupiter Jones
Entweder geht diese scheussliche Tapete – oder ich
Text: Oliver Uschmann / Jens Mayer
“Live your heart and never follow.” Dieser Slogan von Hot Water Music prangt auf dem Arm von Jupiter-Jones-Sänger Nicholas. Eine Pose aus Kämpfertum und Sentiment, die auf Außenstehende schon bei den amerikanischen Originalen peinlich wirken konnte, da sie keine Ironie kennt und sich in ihren Gefühlen suhlt. Jupiter Jones suhlen mit, und zwar konsequent. Was hier vielen sauer aufstößt, kann kaum die Musik sein, die aus Emocore, Indie- und Collegerock das Beste aufsaugt und groben Gitarrenherzschmerz in Vollendung ausspuckt. Nein, es ist vor allem der Gesang, diese pathetische Mischung aus Chuck Ragan, Herbert Grönemeyer und Hans Harz, die überhaupt keine Distanz zu sich und ihrem Thema kennt und mit ganzer Inbrunst Zeilen singt wie: “Was auch immer es noch ist, was da leise durch den Kopf schwirrt/ Hab den Mut und schmeiß es raus, wenn es traurig in dein Herz irrt.” Das scheint zu viel für manche und sie schreien “Pur” und “Maffay”, während es andere unendlich berührt, da zwar die Mittel des Mainstream bemüht, aber rustikal in eine andere Welt übertragen werden. Eine Welt, in der kolossale Weisheiten wie “Es ist der Weg, nicht wer ihn geht/ Es ist das wie, nicht wo du stehst” zwar in vollem gesanglichen Pathos, aber mit deftigen Bratgitarren vorgetragen werden, man sich aber ebenso Bläser, Klavier und Cello nicht verbietet. Im Grunde haben Jupiter Jones das Problem, das schon Boysetsfire auf ihrem letzten Album hatten: Sie gehen den Weg zum Gefühl ohne Umwege und alle schreien: “Bäh, Stadion!” Da fragt man sich glatt, ob sie sich ihre Tränen privat auch nur ohne Pathos erlauben. So einen Brückenschlag macht in Deutschland sonst keine Band.
9/12 Oliver Uschmann
Man muss es deutlich sagen: Das zweite Album von Jupiter Jones ist eine Enttäuschung. Jupiter Jones galten neben Turbostaat, Muff Potter und Duesenjaeger als legitime Nachfolge-Hoffnung von EA80, Boxhamsters, Dackelblut und …But Alive. Die Reibeisenstimme von Sänger Nicholas Müller erinnert an Chuck Ragan und Frankie Stubbs, zeigt hier aber auch, was damit sonst noch anzustellen ist. Denn wenn Stimme, Melodie und Text im Pathos-Triumvirat zusammenspielen, dann sind sie mitten drin im Deutschpoprock. Man stelle sich nur den Refrain “Erzähl mir nichts von Zeit und was sie alles heilt/ Es ist der Weg, nicht wer ihn geht/ Es ist das wie, nicht wo du stehst” von Hartmut Engler oder Heinz Rudolf Kunze gesungen vor. Man höre “Oh hätt’ ich dich verloren” und denke an eine neue Xavier-Naidoo-Schnulze. Überhaupt die Texte. Wer einmal versucht, das Manowar-Trinkspiel auf Jupiter Jones umzuwalzen und bei jedem “allein”, “einsam”, “Einsamkeit” und “Herz” einen Klaren kippt, der weiß beim Kater am nächsten Tag, warum Befindlichkeitsrock auch nach hinten losgehen kann. Dabei können sie es ja auch besser. Der Opener “Alleiner” ist eine Granate von Song, “Land in Sicht” klingt wie das deutsche Pendant zu The Draft, und auch zwei, drei weitere Stücke schaffen den Spagat zwischen Punkrock- und Stadionhymne durchaus. Fürs nächste Mal wünscht man sich mehr Subtilität und weniger Holzhämmer.
6/12 Jens Mayer
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