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    K.I.Z.
    Görlitzer Park

    VÖ: 21.06.2024 | Label: Eklat/Krasser Stoff
    Text:
    8 / 12
    K.I.Z. - Görlitzer Park

    K.I.Z. blicken zurück, nach innen und von oben auf Deutschland 2024. “Görlitzer Park” ist der mehrheitlich geglückte Versuch eines Grown-Man-Rap-Großwerks, das nur selten langweilt.

    Von den vielen Deja-Vu-Erlebnissen auf dem siebten Album der Berliner Crew sind die am schönsten, die eine Änderung erkennen lassen. Als etwa kurz vor Schluss ein Barklavier ertönt, denkt man an “Der Schöne und das Biest”: Die drei Typen von damals berichten nun aber nicht mehr von ekligem Sex, sondern überlegen mit gesenkter Stimme, wie sie Kumpels stecken, dass das ewige Abstürzen irgendwann mal aufhören muss. Nico, der einst als “Der Durch die Tür Geher” den Berliner Kneipenatzen perfektionierte, rappt hier vielleicht seinen intensivsten Part des Albums. Der Titel des Songs ist programmatisch: “Die Party ist vorbei”.

    Eine richtige Kehrtwende ist “Görlitzer Park” nur im Vergleich zum Vorgänger “Rap über Hass”, der Politik, Introspektion und Nostalgie an den Rand drängte: Im Zentrum standen Punchlines und Zivilisationsbrüche. Jetzt ist das Verhältnis gekippt, K.I.Z. widmen sich wieder Themen, die sie schon immer umtreiben: soziale Ungleichheit, Ausgrenzung, Kapitalismus. Punchlines sind da Kollateralschäden, auch wenn Ironie und gerade Karikatur nach wie vor Mittel der Wahl sind, um sich der aktuellen Haltung zum Militär (“Frieden”), Scam-Finfluencern (“Geld wie ein Magnet”) oder Mental-Health-Lippenbekenntnissen (“Lächel doch mal”) zu nähern. Fast durchweg fehlt aber der Wille, Ideen ins Absurde zu steigern, auch zum Selbstzweck, und daraus Pointen zu ziehen.

    Dass sich jeder Witz mal totläuft, hängt als Damoklesschwert über der Karriere dieser Crew. “Görlitzer Park” ist auch ein Versuch, diesem Schicksal zu entkommen und eine neue Virtuosität zu entwickeln. Das Album ist musikalisch verästelt wie die K.I.Z.-Alben der ausgehenden 00er Jahre, dabei aber von den Radio-Rap-Experten Drunken Masters ausproduziert. Es fehlt also das Dilettantisch-Geniale, dafür gelingen die nervigen Nintendo-Synthies (“Samstag ist Krieg”) und der 80er-Airbrush-Kitsch (“Jahrmarkt”) ebenso überzeugend wie viele der melancholischen Momente. Die beiden ersten Singles arrangieren das sogar dynamisch: Wo “Görlitzer Park” aus der Ruhe über ein Interview-Sample in 10er-Jahre-Hi-Hat-Rasseln stolpert und sich in Synthie-Sauce auflöst, erinnert “Frieden” in der Mitte an Portisheads “The Rip” und lässt am Ende ein Kinderchor-Feuerwerk explodieren.

    Was die genannten Songs ebenfalls eint: Brillante Performances von Tarek. Beunruhigend ruhig schleicht er durch die Songs, mal resigniert, mal fast zärtlich, gerade in kleinen Momenten wie einer intimen, eigentlich unspektakulären Zeile aus “Görlitzer Park”: “Maxim pennt, ich habe Kaffee gemacht”. Er pointiert hier genau die Nostalgie, die K.I.Z. im ersten Drittel des Albums ein wenig zu ausführlich durchdeklinieren. Bedrückend ist hingegen die Nervosität, die in “Jahrmarkt” durchs Autotune schimmert, ebenso wie die Müdigkeit im persönlichen, von Rassismus berichtenden “Sensibel”.

    Diese Qualität fällt gerade im Vergleich zu Maxim auf, der neben Tarek als Rapper im Fokus des Albums steht, aber in der eigenen Stilisierung, im ewig gleichen Tonfall gefangen scheint. Sein Part in “Die Party ist vorbei” wirkt fahrig, das maßgeblich von ihm getragene “Geld wie ein Magnet” wie ein Relikt, seine narzisstischen Figuren in “Applaus” und “Grabstein” führen weder zu Pointen noch sind sie gut beobachtet. Gerade das ist aber wichtig, wenn K.I.Z. weniger aufs Absurde zielen – auch in “Frieden” wirken einige Vergleiche bemüht, selbst wenn der Song das alte Stilmittel Provokation nicht uninteressant auf ein kontroverses Thema richtet.

    Man muss das alles sowieso nicht überschätzen: Rap ist weder Wissenschaft noch Journalismus, hat andere Verpflichtungen und Möglichkeiten. Auch “Görlitzer Park” ist bei aller Raffinesse und Brisanz zugespitzt und übertrieben, zeigt gerade bei aller Genauigkeit nur einen Ausschnitt, nicht das ganze Bild. Öfter noch hätten K.I.Z. etwa ihr aktuelles Leben mit der geschilderten Gegenwart verknüpfen dürfen, wie es Maxim am Ende des Titelsongs andeutet. Vielleicht fehlt der Crew dazu gerade auch eine gemeinsame Agenda – die zahlreichen Solosongs deuten das an. Bezeichnend ist auch, dass die drei Rapper ausgerechnet anlässlich der Erinnerung an ihre Frühphase auf “Vierspur” so richtig zusammenfinden, sich Zeile für Zeile, Anekdote für Anekdote abwechseln.

    So hervorragend “Görlitzer Park” in seinen besten Momenten Themen und Stärken der Crew ins Jahr 2024 überträgt und mit angemessen großem Sound inszeniert, so erstarrt wirken K.I.Z. bisweilen gerade in dieser Größe.

    Das steckt drin: Deichkind, Ebow, Killer Mike

     

    weitere Platten

    Rap über Hass

    VÖ: 28.05.2021

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    VÖ: 03.06.2011