Für ihr zweites Album bekommen Kamggarn musikalische Verstärkung von Louis Perry. Der hat in den vergangenen Jahren als Frontmann von Swedish Death Candy bereits unter Beweis gestellt, dass er sich in den Sphären von Psychedelic- und Stoner-Rock bestens auskennt. So lassen auch die neun Songs auf dieser Platte immer wieder Perrys Expertise an der Fuzz-verzerrten Gitarre durchschimmern. Das nach der Band benannte zweite Album von Kamggarn lediglich auf diese Personalie zu reduzieren, würde allerdings viel zu kurz greifen. Dafür sind zu viele Momente dieser Platte deutlich zu charakterstark. Als einer der größten Stärken der Band erweist sich, dass sie den Begriff “Psychedelic” nicht auf eine der zahlreichen Strömungen seiner Genre-Geschichte festnagelt, sondern im Gegenteil dessen Vielfalt erkundet. der Opener “Ceasefire” etwa schwebt die meiste Zeit so leichtfüßig über spacige Syntzhesizer und luftige Gitarren, dass man den Widerhall der psychedelischen Beatles-Platten zu hören meint. Erst zum Schluss durchstößt eine drückende Fuzz-Gitarre das Klangbild und setzt damit ein Präludium für viele der stürmischeren Songs der Platte, etwa “Icarus”, ein rasantes Rock’n’Roll-Ungeheuer, das so auch aus dem Riff-Repertoire von Wolfmother stammen könnte und in der Bridge kurz zurückgelehnte Blues-Einflüsse aufblitzen lässt. “Feign Disorder” wiederum referenziert mit seinem andächtigen Tempo und seinen wabernden Akkorden am ehesten diejenige Art von Psych-Ästhetik, die Pink Floyd in den 70ern als groß angelegte Prog-Schwärmereien inszeniert hatten. Zusammengehalten wird “Kanggarn” vor allem durch seine Klarheit und Struktur – keine typischen Merkmale für eine Band mit einem derartigen musikalsichen Hintergund. Anstatt ihren Sound mit zehn verschiedenen Reverb-Effektgeräten zu überladen, achtet das Quartett lieber darauf, die kleinen Raffinessen ihres instrumentalen Spiels in den Vordergrund zu stellen. Nur so kann etwa mit “Persephone’s Dream” schließlich eines der absoluten Highlights der Platte entstehen: Eine melancholische Synthesizer-Passage leitet den Schlussteil des Songs ein, dessen unwiderstehliche Basslinie einen sehr irdischen Groove erzeugt. Kamggarn unterstreichen dieses Element sogar, indem sie für ein paar Takte die Gitarre komplett aussetzen lassen – ein eigentlich kleiner Moment, der aber große Wirkung erzielt. Wenn die Band in einem Song wie “Drool” hin und wieder auch mal mit maximaler Reverb-Power zurückfeuert, dann ist das kein Rückgriff auf die Standardformel des Genres, sondern ein sehr bewusst gesetzter Kontrapunkt. Es sind diese stilistische Ungezwungenheit und der Blick fürs Detail, die dieses Album zu einem Kandidaten fürs Ganz-genau-Hinhören machen. Wenn dazu noch das extensiv-wilde Solo vom Closer “It Was The Reverb” das Album mit einer fast an die Hardcore-Punks Clowns erinnernde Urgewalt beschließt, macht das zudem noch verdammt Spaß.
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Psych Aux Tropiques
VÖ: 06.09.2019