Die Meister der Schwermut sind zurück: Auch mit “Dead End Kings” vertreiben sie wieder alle sommerlichen Gefühle.
Etwas anderes ist natürlich von einer Dark-Rock- oder Progressive-Metal-Band nicht zu erwarten. Aber Katatonia sind nicht einfach nur düster, sie reißen einen sofort in ihre Parallelwelt voller Melancholie und Verzweiflung. Das gelingt der Band nach wie vor dank Jonas Renskes sanfter Stimme, den wohl überlegten Arrangements aus heftigen E-Gitarren und -Bässen einerseits und Streichern, Klavier und Frauengesang andererseits. Wie beim Vorgänger “Night Is The New Day” sind es nicht einzelne Songs, die die finstere Atmosphäre prägen. Vielmehr verschleppen Katatonia ihren sich aufstauenden Schwermut in die jeweils folgenden Stücke, die oft fließend ineinander übergehen. Ein Klon von “Night Is The New Day” ist “Dead End Kings” trotzdem nicht geworden, denn die Band hat einige – wenn auch kleine und vorsichtige – Schritte nach vorne gemacht: “Leech” bereichert den Katatonia-Sound vorsichtig um elektronische Elemente, die Single-Auskopplung “Dead Letters” verbeugt sich in Richtung Tool. Die Band hat außerdem an der Fallhöhe der Songs gearbeitet. Ruhiges ist noch sanfter geworden, heftige Passagen wirken dadurch noch härter; am deutlichsten werden diese Gegensätze in “First Prayer” und “Dead Letters”. Katatonia verbessern sich also kontinuierlich. Atmosphärisch dichter als auf “Dead End Kings” können sie fast nicht mehr werden.
9/12 karsten köhler
Mit ihrem neunten Album haben Katatonia das eine geschrieben, das alles vereint, was man an Progrock hassen kann.
Die ewige Litanei, dass Katatonia mal eine große Death-Metal-Band waren, ist mittlerweile leider völlig uninteressant. Weil sie das schon länger nicht mehr sind, und weil sie ihre schwarz bemalten Ostereier für allerlei Tand eingetauscht haben. Hierfür etwa: eine scheußlich cleane Produktion, die so steril klingt, wie der OP-Tisch in der Berliner Charité aussieht. Um diese glatte, akkurate, aber völlig leidenschaftslos gespielte Musik mit so etwas wie Tiefe zu füllen, bedienen sich Katatonia bei zig Zutaten, die längst verboten gehören. Aber das dazugehörige Gesetz muss irgendwo auf Eis liegen geblieben sein. Deshalb pantschen Katatonia die Lücken in ihrem Roboter-Rock voll mit ekeligen Frauen-Backings, Streichern aus dem Computer, nichtigen Keyboard-Tapeten und gelegentlichem Elektrogebritzel. Letzteres wahrscheinlich, um sich eine Art von Vorwärtsgerichtetheit auf das Fähnlein pinseln zu können. Dass vor lauter technischer Perfektion die Seele der Musik hier völlig verloren geht, haben Katatonia in all ihrer Texturenwichserei offenbar nicht mitgekriegt. Das verhallte, seichte Geseier von Jonas Renkse tut sein Übriges, um “Dead End Kings” den Todesstoß zu verleihen. Eine Platte, so kantenlos und tiefgehend wie eine ZDF-Vorabendserie. Die geben aber wenigstens nicht vor, mehr als seicht sein zu wollen.
3/12 jan schwarzkamp
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