Bitte nicht unterschätzen: Viele Menschen da draußen haben auf dieses Album sehnsuchtsvoller gewartet als die CDU auf den Regierungswechsel. Kate Bush ist eine wichtige Künstlerin. Sie ist einzigartig – in ihrer Musik, ihrem Anspruch, ihrer Arbeitsweise. Zwölf Jahre nach “The Red Shoes”, einer Platte, die für viele zu modern und programmatisch klang, erscheint “Aerial”, eine glorreiche neue Doppel-LP. Und nein, es ist kein Comeback. Es hat halt nur etwas länger gedauert. Den Zugang zum neuen Werk findet man sehr direkt. “King Of The Mountain”, ein Lied über Elvis, ist wunderschön verwobener Pop; das Zahlendrama “Pi” über einen Menschen im mathematische Irrgarten klingt beinahe wie Radiohead. Unfassbar, wie gut diese Platte produziert ist, wie sich Räume öffnen und schließen, wie man als Hörer in den Sog dieser Lieder gezogen wird. Da funktioniert sogar “Bertie”, obwohl dieses Lied erstens Mutterkitsch und zweitens Mittelalter-Folklore ist. Höhepunkte der ersten CD sind zwei Songs, die allein vom Piano und Kates Stimme geprägt werden: Die Trauer-Suite “A Coral Room” und das Waschmaschinen-Opus “Mrs. Bartolozzi” leben von einer traumhaften Dramaturgie und echter Poesie. Fast atemlos legt man die zweite CD auf und wird doch noch mehr verzaubert von einem unerreichten Reigen über das Ende eines Tages und die späte Nacht, einer Konzept-CD, die von den Bildern im Booklet über die Texte bis zur Musik einfach ein Gesamtkunstwerk ist. Exemplarische Höhepunkte: “Sunset” verführt mit sanften Rhythmen, um am Ende zum Flamenco zu mutieren, “Nocturn” hinterlässt einen schlaftrunken und hypnotisiert, bevor Kate Bush mit dem Titelstück zum Nachtalb wird. Plötzlich stampft der Discobeat, zum ersten Mal kratzt eine E-Gitarre, und die wunderbarste Pop-Sängerin der Welt steht auf dem Dach und lacht hysterisch mit den Vögeln. Wie gerne wäre man dabei gewesen.