Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen
Die Biellmann-Pirouette
Text: Sebastian Harth
Dabei will Punk im Kern ja genau das nicht sein: Teil der pessimistischen Kulturindustrie. Es braucht also alle Schaltjahre eine Band wie Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen, die aus dem Nichts der Provinz ins kollektive Bewusstsein stolpert und dabei so tut, als wäre das keineswegs geplant gewesen und als gehöre man auch gar nicht dorthin. Passiert ist das 2012 mit “Postsexuell”, ihrem ersten Album mit Broken Silence als Label im Rücken. Trotz der professionellen Vertriebsstrukturen bleibt damals wie heute alles gleich: die Band wird nach wie vor als Geheimtipp gehandelt. Zu groß sind die stilistischen Gräben, welche die Kieler – vermutlich bewusst – zwischen den einzelnen Songs anlegen, zu harsch die Sprünge vom glücklich verliebten “Tu so als würdest du noch schlafen” zum unglücklich pubertierenden “Und immer noch nicht gebumst”. Kompromisse sind eben nichts für Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen, das zeigt sich auch in der Konsequenz, mit der drei ganz alte Schinken aus Demo-Zeiten mit auf die Platte gepackt wurden. Neu aufgenommen, natürlich. Glaubt man der Band, so wurde einer der Songs – “Die halbe Stadt von unten” – nicht weiter verändert. Der Hang poetische, kontemplative Texte an hartnäckig eingängige Melodien zu koppeln war also schon immer da, aller Ohrwurm-Gefahr zum Trotz. Die Kaltschnäuzigkeit mit der Keine Zähne im Maul die eigene Popaffinität in dadaesken Ausflügen sabotieren – das ist Punk im besten Sinne.
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Postsexuell
VÖ: 17.08.2012