Keren Ann lebt in Paris, wuchs in Holland und Israel auf und produzierte diese, ihre dritte Platte,
im Norden des New Yorker Stadtteils Little Italy. So klingt die Welt, sollte man meinen. Und doch
schleicht sich “Nolita” beim ersten Hören verdächtig typisch frankophil ins Ohr. Zarter Pop, beinahe
verhuscht. Geschmackvoll bis zum geht nicht mehr, pendelnd zwischen luftig und luftleer. Doch je
länger man “Nolita” in der Rotation behält, desto bester funktioniert dieser Magnet. Aus
einschmeichelnder Langweile wird echter Respekt, schließlich sogar flammende Liebe. Fast zögerlich
bemerkt man die zeitlose Klasse einiger Songs. Das schwebende Wiegenlied “Chelsea Burns” betört
monoton-melancholisch wie einst Mazzy Star; der Titelsong lockt mit einem herrlichen
Streicherarrangement auf Wolke sieben; das traurige “One Day Without You” klingt so sehr nach
Regentag, dass zu Hause die Fensterscheiben beschlagen. Der größte Juwel in der Schatulle ist jedoch
“La Forme Et Le Fond”, ein urbaner, weil elektrischer Großstadtblues, der irgendwie Air und
Radiohead vereint, bevor eine Sopranstimme das Licht ganz langsam dämmt. Es wird Nacht in der Welt,
und wo auch immer Keren Ann diese Lieder singt sind schlechte Träume ausgeschlossen.