Kid Kapichi
There Goes The Neighbourhood
| Erschienen in: VISIONS Nr. 372
Erneut fechten Kid Kapichi die Kämpfe gegen jenes System aus, gegen das sie einst in den Ring gestiegen sind.
Beim derzeitigen Blick auf das politische Weltgeschehen, will man eigentlich nur eins: das Licht ausmachen und sich die Decke über den Kopf ziehen. Krisenmodus hier, Katastrophenstimmung da – und Kid Kapichi, die den Soundtrack zur Gefühlslage der Nation beisteuern, mit gefletschten Zähnen und bissig-britischem Humor.
Die derzeitige Stimmung? Fassen sie in schönstem Kodderschnauzen-Akzent so passgenau in Worte, dass man bei jeder Zeile eigentlich nur danebenstehen und zustimmend nicken kann. Auf “Artillery” keift sich Frontmann Jack Wilson zu krachendem Soft-Play-Alternative-Rock das Angepisstsein über die da oben von der Seele, allerdings ohne, dass man fliegende Guinness-Dosen oder Pöbelei im Geiste von Liam und Noel Gallagher fürchten müsste. Dafür sind Kid Kapichi zu sehr Großmeister in Sachen Kapitalismuskritik und Sarkasmus, bewegen sich auf “Zombie Nation” und “Can EU Hear Me?” zu tanzbaren Beats durch die Eintönigkeit der Post-Brexit-Landschaften.
Diese kommentieren sie ungeschliffen und mit scharfzüngigem Sprechgesang à la Mike Skinner, um mit “Jimi” eine Abweichung von ihrem gewohnten Kurs vorzunehmen und der verstorbenen Musikikone Jimi Riddle mit ihrer Indie-Akustikballade ein Denkmal zu setzen. Lisa Elsen
Bei Kid Kapichi trifft aufeinander, was sich abstößt. Ihre Botschaft dringt so leider nicht durch.
Die Punk-Message. Die Kritik an so viel in Einem. In der britischen Heimat der Band hat man derzeit die Wahl. Sänger Jack Wilson gibt sich optisch als kleiner Bruder von Viagra Boys-Chef Sebastian Murphy: weniger Tattoos, mehr Fußballtrikots. Er sieht nicht aus wie ein Langzeitarbeitsloser, sondern wie ein Nachwuchshooligan, und will das wohl auch. Stimmlich zudem weniger angepisst als Jason Williamson von Sleaford Mods, steht sein bisschen Schnodder-Attitüde über der Aussage, wenn er sprechsingt.
Kid Kapichi sind also nicht nur gekommen, um sich zu beschweren. Sie wollen dabei Spaß haben, ein bisschen ironische Brechung. Das ist ein Fehler. Das hindert Songs wie “Let’s Get To Work” und “Can EU Hear Me?” daran, mehr zu sein als Tanzpunk, denn vom ersten Song bleibt einzig der druckvolle Beat in Erinnerung und vom zweiten die “Lalala”-Hook.
Und dann eben: seltsam zackige Gitarrenanschläge in Richtung Noise, die einen auf gemein machen. Oder die komischen Autoscooter-Sounds in “Get Down”, wenn man mal versucht, Wilsons Erzählung zu folgen. Kid Kapichi sind darauf aus, Rasierklingen in Zuckerwatte zu verkaufen. Dafür darf sich die Zuckerwatte aber nicht sofort verflüchtigen, wenn man sie berührt. Martin Burger
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