King Gizzard & The Lizard Wizard
Polygondwanaland
Text: Dennis Drögemüller
Keine andere Band hat 2017 ein vergleichbares Verhältnis von Quantität zu Qualität hinbekommen – was die Australier anfassen wird zu Gold. Mit “Polygondwanaland” reichen Weiterentwicklung und Experimente sogar über die Musik hinaus: King Gizzard haben die Platte nicht nur als Gratis-Download ins Netz gestellt, sondern auch die Master-Dateien und das Artwork dazugepackt, auf dass die Fans eigene CDs und Platten pressen mögen. Wo die Reise bei dem Geschenk musikalisch hingeht, lässt sich schon am Albumtitel erahnen: Die Polygone aus der Computer-Grafik verbinden sich mit der geheimnisvollen Urwüchsigkeit des Großkontinents Gondwana(land), der vor 300 Millionen Jahren existierte – und werden zum trippigen Audio-Wonderland. “Polygondwanaland” schraubt den Garagerock-Anteil deutlich zurück, stattdessen herrscht psychedelischer Prog mit vernebelten Folk-Einflüssen, den die Band aber mit Synthesizern im Stil alter Videospiele retrofuturistisch ins Digitalzeitalter übersetzt. Oder kürzer: mehr LSD, mehr Flöten, mehr Pixel, weniger Rock’n’Roll. Den in die Trance führenden, repetitiven Groove haben King Gizzard beibehalten, nur klingt er jetzt nicht mehr manisch, sondern schamanisch. Die Brücke zu all dem baut dem Hörer der Albumopener “Crumbling Castle”, ein fast elfminütiger Hit, der wie im Rausch nochmal die alte Kraft beschwört, aber schon den neuen Sound einführt: Nach drei Minuten gibt es das erste Synthie-Blubbern aus dem Spaceshuttle, nach sechseinhalb den ersten Abstecher zu den Druiden auf der bemoosten Waldlichtung, nach acht stürzt das Schloss aus dem Songtitel im Soundsturm in sich zusammen, bevor ein Doom-Outro den Blick auf den Rest der Platte freigibt. Die zeigt sich im Titeltrack mit Akustikgitarren- und Flötensolo entrückt, viele Songs setzen auf Mystik im Midtempo, der Gesang klingt oft wie durch einen Schleier, in “Searching…” sorgen Bongos für eine exotische Note. “Deserted Dunes Welcome Weary Feet” löst sich dabei zum Ende hin in pluckerndem Spacerock auf, in “Loyalty” knarzen die Synthies neben dem Theremin, und auch sonst liegt auf allen Songs eine feine elektronische Sternenstaubschicht. Das tollste Detail: King Gizzard tupfen in “Inner Cell” zwischen Akustikgitarren und schwereloser Digital-Orgel mit der Kopfstimme eine sich gen Himmel windende Gesangsmelodie hin, die man ihnen so kaum zugetraut hätte – wenn man ihnen nicht sowieso immer alles zutrauen müsste.
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