Ein Faible für elegisch angelegte Opener hatte diese Band schon immer. Wer auf dem Mainstream-Durchbruchsalbum “Only By The Night” vor allem die Hits hören wollte, musste mit “Closer” erst eine songgewordene Barriere überwinden. Die Botschaft: Wer hier rein will, muss Geduld mitbringen! Auf dem achten Kings-Of-Leon-Album kombiniert “When You See Yourself, Are You Far Away” diese bekannte Vorliebe der Band nun mit jener für Vintage-Orgeln und analoge Synthesizer, die Matthew Followill in die abermals von Markus Dravs betreute Produktion eingebracht hat. Eher im Subtext des zunächst Gitarren-dominierten Songs macht deren psychedelisches Wabern schließlich endlose Räume auf. In diese wohlige Behaglichkeit kracht dann gleich die erste Single “The Bandit”
rein, einer der wenigen ganz offensichtlichen Hits dieser Platte. Dieser absolut typische, markant führende Bass, die Strokes-Gitarren, die Southern-Akzente und der weltumarmende, nun ja, Coldplay-Gestus: alles da. Auch im weiteren Verlauf des Albums ist es ein stetiges An- und Abschwellen, wodurch diese Musik eine wehmütige Note bekommt, die bestens in die Zeit passt. Dabei hatten Kings Of Leon “When You See Yourself” längst fertig aufgenommen, als die Pandemie über uns kam. Nun aber ergibt sich aus dieser Zufälligkeit der perfekte Lockdown-Soundtrack, ein Wechselspiel aus Katharsis und Emphase mit ganz viel Melancholie. Ebenso wie später “Time I Disguise” beginnt etwa “A Wave” geisterhaft flirrend, ehe der Song Tempo aufnimmt. Caleb Followill heult den Mond an, “Oh wave, crash down on me/ Until I’m whole again”, singt er – und so langsam fragt man sich, woher diese ganze Wehmut überhaupt kommt. Schließlich weiß man ja, dass die Followills inzwischen Familien gegründet haben und stattliche Villen bei Nashville bewohnen. Doch Caleb singt von einsamen Cowboys, endlos weiten Landschaften und liebeskranken Verlassenen, während der Chor seiner Brüder sich sanft wie ein kühlendes Tuch über die Sehnsucht des Sängers legt. In diese Überlegungen hinein erinnern die Gitarren und der räudige Kötergesang von “Golden Restless Age” an die frühen Kings Of Leon, die Bissigkeit ist also auch noch da, nur dosierter eingesetzt. Dennoch: Wer Kings Of Leon vor allem als die garstige Southern-Garage-Indierock-Band der frühen Tage liebt, wird mit “When You See Yourself” erneut nicht auf seine Kosten kommen. Alle anderen können sich auf das kohärenteste Album des Quartetts seit “Come Around Sundown” freuen.
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