Kommando Sonne-Nmilch
Pfingsten
Text: Britta Helm / Sascha Krüger
Klar, umso besser, wenn man auf krakelige Texte voller Rechtschreibfehler steht, die dann auch noch schamlos versungen werden. Auf Zeilen wie uff schalala grunz rauch im Reggaechor, alberne Hüte, den rhythmischen Einwurf fast zuende kurz vor Schluss von Song eins. Viel wichtiger sind aber die großen ruhigen Lieder, die dazwischen stecken. Ein Album voller Punkballaden, das hat nun wirklich keiner gewollt, bis Pfingsten auch keiner gebraucht. & unten auf der erde/ wird eingepackt für immer/ der letzte macht das licht aus/ und auch die ganzen dimmer, das ist so wenig albern, dass Grönemeyer selbst es vermutlich bald am inneren Oberarm tragen wird. War zuletzt Jamaica die Rückkehr der Verrückten zum relativ geraden Oma-Hans-Sound, dann ist das hier die Erweiterung um Lagerfeuergefühle zur halligen Gitarre. Mit schiefer Nordstimme singt Rachut Festivalabschlusshymnen, die um einiges größer sind als er selbst. Die gründe für den riesengau/ sind älter als die hippistämme/ die vollbekifft davor warnten. Nicht immer ist sicher, ob er die Gänsehaut ehrlich meint, aber man weint ja auch um Elvis und hält ihn trotzdem für einen glücklichen sibirischen Rentner. Und mindestens das viel zu schöne Was ist Leben gehört schon jetzt in die vorderen Reihen des Kommando-Sonne-Nmilch-Vermächtnisses.
8/12 Britta Helm
Frechheit, diese Platte. Schon allein, dass es sie gibt, in ihrer ganzen plakativen Nachlässigkeit.
Erst recht, weil die Attitüde nicht nur nervt, sondern unangenehm berührt. Genau das wollen Jens Rachut und seine Draufdresch-Jungs natürlich. Wollten sie immer, ob mit Dackelblut, Oma Hans, Blumen am Arsch der Hölle oder den wunderbaren Angeschissen. Es soll halt wehtun. Was früher nur genervt hat, weil es wenigstens noch unausweichlich war, hat sich zu einer Art Mittelfinger-Selbstzweck entwickelt, der anwidert wie besoffene Punks in ihrer eigenen Kotze. Die Musik ist billig in jeder Hinsicht – vor allem Aufnahme- und Akkordfolge-technisch – und die Texte sind eine Unverschämtheit. Songtitel wie Grunz Rauch, Bubenglück, Das Spiegelei oder Laura: Lawinengefahr sind weder ein Unfall noch neue Programmtitel von Atze Schröder, sondern zentrale Textbausteine. Vermutlich steckt hinter all dem Musik- und Lala-Dadaismus ein tieferer Sinn, eine politische Bedeutung. Doch wer als Band mit Früh-90er-Haudruff-Indiepunk auf Proberaum-Niveau abstößt, macht es einem schwer, in das vielleicht Wichtige einzusteigen. Es ist richtig, dass man zum Verstehen solcher Platten die Punkschule möglichst ab dem Kindergarten durchlaufen haben sollte. Hat man das nicht, steht man jedenfalls fassungslos vor diesem humorfreien Gehirnsalat mit schlechter Laune. Zwei Punkte extra gibt es für Eingemeinden und Meine Schwester: Die funktionieren wenigstens als Noiserock-Peitschen.
3/12 Sascha Krüger
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