Kotzreiz
Punk bleibt Punk
Text: Christian Wiensgol
Vor zwei Jahren machten die Punk-Experten einen Ein-Mann-Circle-Pit auf ihrem Plattenteller, während die Feuilletonisten ratlos auf selbigen kotzten. Der Grund waren Titel wie “Knüppelvoll”, “Candlelight Döner”, “Emosau” und “Blutpopel” vom Debüt “Du machst die Stadt kaputt!” des Berliner Trios Kotzreiz. Nachdem Slime in diesem Jahr völlig humorfrei “Gott, Staat und Vaterland” mit “Lehm und Jauche” attackiert haben, ist es höchste Zeit für den zweiten Angriff auf Lachmuskeln und Würgreflex. “Punk bleibt Punk” ist die Schnapsidee einer Antithese zum bierernsten Selbstverständnis des Deutschpunk. Spätestens wenn nach dem Opener Punkerpolizei der Pfandflaschenmessi inklusive Thunderstruck-Moment besungen wird, gibt es keinen Verstand und kein Halten mehr: “Acht Cent, sechzehn Cent/ vierundzwanzig, zweiunddreißig, eine Packung Nudeln”. Mathematisch noch simpler wird es in “Montag=Scheißtag”. Nicht alles auf “Punk bleibt Punk” ist so herrlich abstrus. Kotzreiz nutzen ihre wenigen nüchternen Momente um gegen Nazis und Facebook zu wettern und mit Freunden aus der Szene Einigkeit zu besingen. Doch der Durst ist allgegenwärtig und Triebfeder des größten Kotzreiz-Hits: “Der Klügere kippt nach” klingt, als hätten die Boxhamsters versucht, mit Wölfi von den Kassierern ein Liebeslied zu schreiben und sich dann doch fürs Saufen entschieden. Allein dafür muss man “Punk bleibt Punk” danken. Und für die Aufhebung der ewigen Frage nach der Ironie. Am besten ist schließlich, wenn egal ist, ob ironisch gebrochen wird – Hauptsache es wird gebrochen.