Krallice veröffentlichen ihr sechstes Album zur Wintersonnenwende – entsprechend frostig sind die 30 Minuten. Damit spottet die Musik eigentlich solchen Titeln wie “Conflagration”, denn nach Hitze ist hier keinem zumute. Vielmehr wecken die New Yorker Erinnerungen an ihre Nachbarn Yellow Eyes. Bei denen ist nämlich das Glimmen der Melodien unter der meterdicken Eisschicht ebenso Programm wie der Bass, der um Hammer und Amboss schleicht wie ein Krokodil unter der Wasseroberfläche: bedrohlich und unberechenbar. Konsequent führt “Prelapsarian” so die Stoßrichtung des Vorgängers “Ygg Huur” (2015) und der “Hyperion”-EP (2016) fort. Beide setzten auf eine insgesamt kurze Spielzeit, beide hatten dem Frühwerk eine Fokussierung auf den Song voraus. Bei gleichzeitiger Nutzung des Gedankenstroms während der Textarbeit entstehen so ganz klare Highlights à la “Hate Power”. Textzeilen wie your hate is nothing but fear induced arrogance sind eine Negierung aller Metal-Konventionen und ein sattes Ja zum Leben. Der Post Black Metal von Krallice schwebt weit über den Tellerrändern, in den Credits bedanken sie sich bei den Avantgarde-Metallern Vampillia, die eine große Inspiration waren. Die anderen drei Songs sind dann zwar wesentlich länger, zeigen mit ihrem Wechselgesang zwischen Nick McMaster (Zerberus) und Mick Barr (Harpye) aber, wie die letzte Schippe Dreck auf den Sarg von 2016 auszusehen hat. Ohnehin verweist Prelapsarian klarer aufs vergangene Jahr, als es zunächst scheint.
8/12 Martin Burger
So schöne Fingerübungen, so wenige Ideen. Dann doch lieber prätentiösen Hipster Black Metal hören. Klar ist das alles sauber gespielt, was die New Yorker so ungleichmäßig auf vier Stücke verteilt haben, wir Metaller sagen auch: solide. Nur gelten ja gerade in den düstersten Nischen des Metal eigene Regeln. Technisch ausgefeiltes Chaos ist da nur die Grundlage, auf die andere Bands ihre auf links gezogene Seele spannen, damit Satan und die anderen Exfreunde mal sehen, was sie getan haben. Krallice sind dafür zu sehr auf ihre Finger konzentriert. Wo Vorbilder wie Wolves In The Throne Room und selbst ans Hipstertum verlorene Söhne von Liturgy bis Deafheaven sich von ganz weit unten immer neue Ausbrüche, Einbrüche und totenstille Komplett-am-Boden-Momente einflüstern lassen, ziehen Krallice unbeeindruckt durch. Die ruhigeren Stellen des Albums wirken wie abgelesen, mit kilometerweise Blastbeats gewinnt man jetzt auch keine schwarzen Blumentöpfe mehr, und die postmetallischen Ambitionen lösen sich in Gedudel auf. Am einfachsten wäre es, Mick Barr einen Sänger mit ein bisschen mehr Endzeitflair zur Seite zu stellen und dann alle Mütter der restlichen Bandmitglieder zu beleidigen, damit mal ein bisschen Stimmung aufkommt. So bleibt “Prelapsarian” mitsamt seinem uninspirierten Bilderrahmen-Cover ordentliche Aufzugsmusik auf dem Weg in einen industriedenkmalgeschützten Club, in dem dann andere richtig was reißen. Vielleicht wollen Krallice ja auch gar nicht mehr.
5/12 Britta Helm
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