Das geht nie wieder raus: 20 Jahre nach “Slap-Happy” machen L7 wieder Schweißflecken in die Lederjacken. Und reißen dann beide Fäuste in die Höhe, damit es auch ja jeder mitbekommt: Sie sind sowas von wieder da. Elf rocknrollige, grungige, punkige, nach oben tretende und nach hinten spuckende Songs haben die Kalifornierinnen zwei Jahrzehnte nach “Slap-Happy” auf ihr Rückkehralbum gepackt, und “Scatter The Rats” ist bei all der wilden Mischung vor allem eins: umwerfend. My love is like a garbage truck!, schmettert Donita Sparks beispielsweise im adäquat dreckigen “Garbage Truck”, um sich in “Holding Pattern” dann mitten auf der Landstraße von den süßesten Chören umgeben zu lassen und später in der schleppenden Titelhymne die Hüften in Richtung Wüste zu schwingen: Turn up the volume and scatter the rats. L7 haben es so gar nicht nötig, sich anzupassen oder gar zu beweisen, dafür ist 1999 gar nicht lange genug her. “Scatter The Rats” ist das lustvoll angepisste Album, das auch 2019 noch Bock drauf macht, sich mit Anlauf durch die nächste Mezzo-Mix-Pfütze zu rollen, um dann aufzustehen und selbst eine obercoole Band mit Hits und Haltung zu gründen. Für eine Neuauflage der von L7 initiierten Rock-For-Choice-Konzertreihe, bei der damals von Nirvana und Pearl Jam über Bikini Kill und Radiohead bis zu Salt-N-Pepa und Hole ein riesiges Staraufgebot von Künstlern für das Recht auf Abtreibung auf der Bühne stand, wäre jetzt gerade schließlich auch noch mal ein sehr guter Moment.
Britta Helm 8/12
Das soll die gleiche Band sein, die “Pretend Were Dead” sang? 2019 schlafen L7 beim Spielen ein. Stef Chura, Petrol Girls, Amyl And The Sniffers – man muss in diesem Heft nicht lange suchen, um auf Künstlerinnen zu stoßen, denen man L7 nicht erklären muss. Aber vielleicht wäre es angebracht, wenn die Genannten L7 erklären würden, dass sich der Globus in den vergangenen 20 Jahren weitergedreht hat und Attitüde alleine nicht ausreicht, um ein Comeback zu rechtfertigen. “Scatter The Rats” ist nicht nur grässlich hüftsteif, man hat den Eindruck, Donita Sparks & Co. wären zum Zeitpunkt der Aufnahmen lieber an einem ganz anderen Ort gewesen. Die Platte klingt, als hätte die Band erstmals zum Klick spielen müssen. Das Schlagzeug? Hölzern. Die Riffs: Verwirft Joan Jett bei der Zahnpflege. Die Texte? Muten an, als würde Oma vom Krieg erzählen. Besonders die schlappe Social-Media-Kritik “Murky Water Cafe” macht betroffen, weil sie über kein anderes Argument verfügt als ohne Smartphones wars besser. In den schlimmsten Momenten steht hier alles bloß nebeneinander, nichts fügt sich zusammen. Lediglich in “Stadium West” kommt Schwung auf. Kein Wunder, dass der Song vorab als Single ausgekoppelt wurde, er klingt ja auch ganz anders als der Rest dieses lustlos produzierten Albums. Tiefpunkt: “Proto Protoype”. Diesen Titel beanspruchen L7 zu recht für sich, nur sollten sie dann nicht in den ersten 30 Sekunden des Songs einschlafen. Hätten sie die Lederjacken lieber mal im Schrank gelassen.
Florian Schneider 4/12
weitere Platten
Slap-Happy
VÖ: 24.08.1999
The Beauty Process: Triple Platinum
VÖ: 25.02.1997
Hungry For Stink
VÖ: 12.07.1994
Bricks Are Heavy
VÖ: 14.04.1992
Smell The Magic
VÖ: 01.09.1990
L7
VÖ: 01.01.1988