Wer Lantlôs noch aus der Zeit mit Alcest-Sänger Neige kennt und liebt, kann mit “Wildhund” leicht einen Zuckerschock erleben. Statt des raffinierten Post-Black-Metals von “.neon” (2010) und der seelenruhigen Post-Rock-Mystik von “Agape” (2011) hat sich das neue Album von Markus Siegenhort und seinem Schlagzeuger Felix Wylezik mehr dem sonnenverblichenen Alternative-Rock der Smashing Pumpkins oder dem träumerischen Emo von Sunny Day Real Estate verschrieben. So freundlich wie auf “Home” und “Cocoon Tree House” mit seinen Dur-Melodien und dem “cozy and familiar”-Songtext klangen Lantlôs noch nie. Das kann schnell zu viel werden – was aber durchaus gewollt ist. Die euphorische Single Magnolia etwa beschwört die bewusstseinsaufhellende Energie der ersten Frühlingstage mit mehrstimmigen “Feeling all at once”-Chören und einer unbändigen Rhythmusarbeit in den exzentrischsten Taktarten – als wollten Lantlôs beweisen, dass Progressivität rein gar nichts mit Songlängen zu tun hat. Einen echten Höhenrausch vertont auch “Lake Fantasy”, das mit seiner ätherischen Synthie-Hook zwischen den – gefühlt – 300 nach vorne preschenden Gitarren einem überwältigenden Gefühl von Freude am eigenen (Er-)Leben Ausdruck verleiht: “Am I here?/ Am I right now?/ I never felt this/ Never felt before”, bringt Siegenhort die Stimmung auf den Punkt, die “Wildhund” in seinen stärksten Momenten ausmacht. Der warme Alternative-Rock-Schein von Hums “You’d Prefer An Astronaut” und eine melancholische Eleganz à la “Downward Is Heavenward” bilden dabei keine Gegensätze: “Vertigo” ist mit seinen lärmenden Alt-Metal-Riffs etwa ganz Erinnerung an die 90er, klingt getragen von ätherischem Gesang aber dennoch frisch und modern. Wie vielschichtig die Stimmungen auf “Wildhund” sind, zeigt der traumhaft verspielte Post-Rock-Song “Planetarium”. “Lich” dagegen zelebriert seine Weltenthobenheit mit ausgewachsenen Autotune- Effekten und provoziert mit hörbarer Freude die konservativeren Fans der Post-Black-Metal-Vergangenheit der Band. Auch wenn “.neon” unbestreitbar zu den Pionieralben des Genres zählt, dürfte spätestens mit “Melting Sun” (2014) klargeworden sein, dass Blast-Beats und Kreischen der Bandvergangenheit angehören. Die Welt auf “Wildhund” ist definitiv mehr Glitzer als Grau, mehr Deftones als Deafheaven. Trotzdem ist da immer noch Härte – “hardcore softness” eben, wie Siegenhort es nennen würde.