Was ist heute noch musikalischer Mut? Bestimmt nicht mehr, laut und provokant vor sich hin zu lärmen, denn da hat man nichts zu verlieren als sein Hörvermögen. Die wirklich Mutigen schleifen alle Ecken und Kanten ab und machen Pop, der so lieblich ist, dass Papa und Mama die Platte auch mal auflegen, wenn Besuch da ist. Schon witzig, dass diese Musik, die so gut zu Eltern ist, bei jungen Menschen mitunter Aggressionen auslöst. Zu lieblich, zu harmlos, zu nett. Und was macht Lee Buddah? Dichtet doch tatsächlich: “Ich hoffe auf den Mai / Tandaradei” und weiß genau, dass das später alle zitieren werden. Auch eine Menge versteckte, leicht verdrehte Verweise auf das deutsche Schlagergut riskiert der Neu-Berliner, der auf dem Schwarz-Weiß-Foto im Booklet jetzt aber wirklich wie der Sohn von Götz Alsmann aussieht. Mal gibt’s kein Bier auf Katmandu, mal sind die Gedanken frei, mal sind die weißen Tauben Möwen. Da kommt er immer noch durch, der am HipHop geschulte Wortverdreher und leidenschaftliche Musiksammler (nur als solcher kommt man auf die herausragende Idee, das Lied “Allein zuhaus” der rheinischen NDW-Punks Nichts nachzuspielen). Nur ist heute kaum mehr ironische Distanz zwischen den netten Worten und der lieben Musik zu finden. Ironie richtet nichts mehr an, ernst gemeinte Sinnlichkeit schon. “Daunenkissen” heißt so ein Lied, das schwer gefährdet zwischen gefühlig und gefühlsduselig pendelt. Wie würde Rio Reiser heute sagen: Macht zufrieden, was euch zufrieden macht.
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