In den 90ern hatten die 80er einen schlechten Ruf, der jetzt insoweit wieder hergestellt ist, als dass man hinter der oft unsensiblen Produktion die Songs und die hedonistische Größe der Interpreten erkennt. “Infinite Style” heißt das erste Stück auf Lemonades zweiter LP, und damit sind nicht das Haarspray und das Spandex von damals gemeint, sondern die neoromantische Sehnsucht des entfremdeten Individuums. “Diver” ist trotz der eisig kalten Atmosphäre tatsächlich ein sehr persönliches Album geworden, das zwischen all dem Ikea-Mobiliar nach Sinn sucht und dabei möglichst sexy aussehen will. Den Versuch haben in letzter Zeit etliche elektronisch angehauchte Bands unternommen, aber Lemonade verzichten auf die unterschwellige Düsternis in ihren Songs. Sänger Callan Clendenin (ein Name, der nach einer Solokarriere schreit) ist trotzdem eine von Gottes einsamsten Kreaturen. “I would listen to you breathing/ It could help me fall asleep/ I used to drive along the ocean/ I drove along the cliffs at night”, singt er in “Whitecaps”. Das ist “Unter Null”, das ist “Blade Runner”, das ist Cyberpunk in einem. Wenn es nach ihm ginge, wäre Clendenin womöglich kein enttäuschter Liebhaber, sondern ein Gespenst, das vor dem Apartment der Geliebten herumlungert, wohlgesonnen, aber körperlos. Von Echos und dahin ziehenden Wolken ist viel die Rede, und wenn man lange genug hinhört, kommen einem sogar The Cure in den Sinn. Mit dem Unterschied, dass die Oberfläche dieser Songs kaum eine Gefühlsregung nach innen durchlässt.