So auch in diesem Fall, denn was Leprous mit ihrem vierten Album hervorkramen, ist furchtbar weit entfernt von ranzigen und verschorften Krusten. Nicht mal Narben lassen sich im übertragenen Sinne und nach mehreren Hördurchgängen finden. “Coal” ist eher ein glattpolierter, eiskalter und zerklüfteter Prog-Metal-Klumpen mit ausgeprägter Neigung zum Black Metal. Steril und leidenschaftslos sind Adjektive, die einem zunächst dazu einfallen, aber das würde diese Rezension einerseits bereits an dieser Stelle abschließen und andererseits den Nagel nicht ganz auf den Kopf treffen. Der Ansatz, den Leprous nach ihrem offenen und verspielten letzten Album “Bilateral” verfolgen, birgt grundsätzlich nämlich schon Potential: weg vom gniedeligen Gitarren-Battle, hin zur pechschwarzen Atmosphäre. Weniger King Crimson, mehr Opeth also. Das wird hauptsächlich erreicht, indem Gitarren und Schlagzeug akzentuierte und synkopierte Stakkato-Salven abfeuern, die durch weitläufige Synthieflächen konterkariert werden. Über allem jedoch thront Gesang, der in all seiner schwülstigen Opulenz jede Musicalschule in die Knie zwingen könnte. Und genau hier liegt der Hund begraben. Eine so saubere und sterile Produktion tut eben nicht gut daran, wenn der Gesang jedes noch so kleine Kratzen bloß als weitere Requisite aus der Trickkiste und nicht als Indiz für wahre Leidenschaft missbraucht. Zugegeben, das kann eine Weile klappen. Muss es aber nicht – von Dream Theater redet heute ja auch keiner mehr.
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