Lisa Germano ist wohl nach wie vor eines der bestgehüteten Geheimnisse der Popmusik. Trotz prominenter Fürsprecher wie Brian Eno, der ihr “Geek The Girl” einst zum besten Rock-Song aller Zeiten erklärte, findet die Karriere der bemerkenswerten Songwriterin aus Indiana immer noch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Was Wunder, eignet sich die Gute doch weder für draufgängerische Starinszenierungen à la Hole, noch trägt sie ihre Haut im Stile einer Heather Nova zu Markte. Das liegt, raunen die Eingeweihten, in erster Linie an den Texten. Germano besucht darin nämlich regelmäßig die Orte, an die sich im Popkontext sonst kaum jemand herantraut. Vergewaltigung, Alkoholismus, schizophrene Paranoia – the lowest low is only a beginning. Ihre fünf bisherigen Platten, allesamt Meisterwerke, gerieten ihr so zu Dokumenten des Widerstandes am Rande der Selbstauslöschung. Hoffnung für die Hoffnungslosen, Trost und Schönheit, wo niemand sie mehr vermutet hätte – das ist das Credo der zierlichen Sängerin, aber auch, und da wird die Sache interessant, das Bekenntnis zur seelischen Gesundheit. Hier kommt “Lullaby For Liquid Pig” ins Spiel, denn mehr noch als auf dem Vorgänger “Slide” wird hier eine Gegenwart gefeiert, die zur Abwechslung gelegentlich so ist, wie sie sein sollte. Behutsam produziert, entfalten die zwölf verhaltenen neuen Songs erneut jene poetische Kraft, die Dämonen zu bannen vermag oder Blumen zum Blühen bringen kann. Nach dem Ende ihres Plattenvertrages bei 4AD musste Lisa Germano einige Jahre in einer Buchhandlung arbeiten, um sich finanziell über Wasser zu halten. Es ist gut, dass sie jetzt zurück ist, denn ähnlich wie manche Bücher hat diese Frau das Potenzial, mehr Menschenleben zu retten als Penicillin.
weitere Platten
Slide
VÖ: 21.07.1998
Excerpts From A Love Circus
VÖ: 09.09.1996