Formeln und Tabus tragen Kunst einige Meter weit, dann werden sie zum Ballast. Mit konstanter Veränderung haben Long Distance Calling es zur Jokerkarte auf Prog-, Djent-, Metal- und Mainstream-Festivals gebracht, und bei all dem ihre kosmische Seele nicht verkauft. Der Klangkörper von “The Flood Inside” ist durch den Weggang von Elektronik-Künstler Reimut van Bonn jetzt schlanker, zeigt aber mehr Oberarmmuskeln bei den Gitarren. Den frei gewordenen Platz füllen Long Distance Calling mit üppigen Riffs und einigen Überraschungen. Zum Beispiel im Opener “Nucleus”: der rauscht erst im Gleitflug dahin, wirft sich dann im Sturzflug auf die Erde, dreht sich mit Santana-artigen Gitarrensolos um sich selbst und erreicht schließlich mit Tempomat die Landebahn. “Inside The Flood” macht Platz für das prägnanteste Novum des Albums: Fear My Thoughts-Sänger a.D. Martin “Marsen” Fischer, der nebenbei zuständig für die wenigen Keyboard-Sounds auf dem Album ist. Fischer nimmt Rücksicht auf die Band, statt sich selbst große Freiheiten, und das klingt außer bei “Tell The End” nach vorsichtigem Teambuilding und viel gegenseitigem Respekt. “Tell The End” startet entrückt und gewährt Marsen mit instrumentalem Minimalismus etwas größere Freiheiten. Die weiß er zu nutzen, dennoch behält der Song eine schmissige Prog-Schlagseite. “Ductus” abstrahiert von dem neuen Medium Stimme und sprenkelt Samples ein, die ein bisschen nach Verlegenheit klingen. Das Experiment Gesang ist auf “The Flood Inside” im Prinzip geglückt, nur hätten wir gerne mehr davon.
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