Bereits die allererste Lotus-Thief-Single “Nymphaea Carulea” war von Homers “Odyssee” abgeleitet, und auch die bisherigen Alben “Rervm” und “Gramarye” basieren weitestgehend auf uralten Schriftstücken. Für “Oresteia” nimmt sich das Bandprojekt von Beth Bezaelith Gladding, einer Englischlehrerin, die “Orestie” zur Brust. Aischylos’ Bühnenstück-Trilogie erzählt, was nach dem Trojanischen Krieg am Königshaus von Mykene geschieht: Mord und Totschlag unter Adeligen, Rachegelüste, göttliche Interventionen – der Stoff, aus dem antike Dramen gestrickt sind und für den man gleichermaßen Interesse wie Sitzfleisch mitbringen muss. Gladding rafft die Handlung auf knapp 40 Minuten, das langt für vier ausladende Songs, drei Interludes und ein versöhnliches Outro. Aus ihrer Vorliebe für das Pink Floyd-Album “Meddle” und Amon Düül II resultiert eine Art Dark-Ambient-Metal, in dem Furien-Gekreisch neben Satzgesang stattfindet und Blastbeats auf harmonische Klangflächen treffen. Böse ausgedrückt: hier spannungsarmer Schöngeist, dort gestelzt daherkommende Ausbrüche. Differenzierter betrachtet: “Oresteia” will ganz offensichtlich am Stück gehört werden, und weil in der richtigen Stimmung alle Teile erstaunlich gut ineinandergreifen, kann man wohl kaum von einem Misserfolg sprechen. Danach hat man aber Bock auf Die Kassierer.