Lou Reed, dem irgendwann mal die Gesichtsmuskulatur eingeschlafen ist wie anderen Leuten ein Fuß, setzt mit unerwarteter Ausdauer sein Alterswerk fort. Das vorliegende Album hat mit einer Spielzeit von circa 77 Minuten vergleichsweise Bibel-Ausmaß und entsprechend wortgewaltig präsentiert sich Onkel Lou hier. Immer für das hohe literarische Niveau seiner Texte gewürdigt, scheint Reed dem Anspruch stets Garant für intellektuelle Diskurse zu sein, partiell überdrüssig. In dem vor Lockerheit fast aus den Scharnieren gleitenden “Modern Dance” sucht er die Herausforderung darin, die gewohnte Position des unbeteiligten Beobachters zugunsten der Figur des rat- und rastlosen Suchenden aufzugeben. Im musikalischen Bereich sind moderate Verfeinerungen zu verzeichnen, die größtenteils dem häufigen Vorkommen von Bläsern und Streichern geschuldet sind. Das für den Klangfanatiker Reed essentielle transparente Soundbild, das seine Platten seit dem Höhenflug des Albums “New York” auszeichnet, bleibt dabei stets intakt. Unterm Strich ist “Ecstasy” ein phasenweise interessantes, aber größtenteils von Midlife-Crisis-mäßiger Behäbigkeit geprägtes Gitarrenrock-Album, das mit seinem Titel nicht viel zu tun hat. Lou Reed war für mich vor 15 Jahren mal ein Idol, aber müsste ich mich heute entscheiden, würde ich klar für das andere Genie bei The Velvet Underground, John Cale, stimmen. Und irgendwie ist diese Platte doch eher für die Heinz-Rudolf Kunzes dieser Welt bestimmt.
weitere Platten
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Songs For Drella (mit John Cale)
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New York
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Mistrial
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