Dabei führen die ersten beiden Songs des zweiten Albums von Lygo deutlich auf diese Fährte. “Alles ist egal” und “Festgefahren” klingen enorm nach Graue-Zellen-Punk, der seine Vorbilder ein bisschen zu stolz vor sich herträgt und den man mittlerweile zu oft gehört hat. Mit “Lippen blau” wendet sich das Blatt allerdings. Darin schlagen melodische Post-Hardcore-Ausbrüche eine Schneise in die durchgängig-monotonen Gitarrenwände, die Sänger und Bassist Jan Heidebrecht mit erstaunlich versiertem, melodischem Gesang auffüllt. Das erinnert stellenweise an eine alternative Version von Muff Potter, die ihre Verstärker weiter aufgedreht und ihre tägliche Schnapsdosis ungefragt nach oben geschraubt haben. Auf “Gründe” hingegen wettert das Trio mit Aussagen wie Alltag ist politisch, Post-Punk-Grooves und Düster-Gitarren gegen alle, die Alltagsrassismus & Co. aus den Augen zu verlieren drohen. Ohnehin ist “Schwerkraft” in vielen Aspekten eine politische Stellungnahme. “Schraubzwinge” etwa kritisiert zu pulsierendem Bass und Haken schlagenden Melodiebögen die Angst vor dem Scheitern, die einem von der Gesellschaft eingeimpft wird. Auf dieser Ebene stimmt also schon mal alles. Wenn sich Heidebrecht jetzt noch ein wenig mehr auf seine definitiv vorhandenen Gesangsqualitäten besinnen würde, könnte das Trio den Schatten seiner Vorbilder komplett abschütteln. So sticht “Schwerkraft” durch seine stilistische Chuzpe nur punktuell aus der Masse an deutschsprachigem Punk heraus. Etwas mehr hätten sich die Bonner trauen dürfen.