Es kommt vor, dass Leute ein und dasselbe Buch grundverschieden lesen. Einer lacht und einer weint, einer tanzt und einer greint. Bei Bands kommt dieses Phänomen seltener vor; die Gefühle, die Musik erzeugt, sind zumeist eindeutig. Ein Sonderfall sind Madness: für die einen eine britische Partytruppe vom Grabbeltisch mit einer handvoll Ska-Singles, allen voran “One Step Beyond”. Dann gibt es aber auch Leute, die Madness gleich hinter den Kinks und Elvis Costello als eine der wichtigsten Popbands Englands beurteilen und vor allem die melancholische Seite der Band schätzen. Da gibt es zum Beispiel The Rise & Fall von 1982, das neben dem Gassenhauer Our House allerhand komplexe, nachdenkliche Lieder über den Falkland-Krieg in die Regierung Thatcher bietet. Vor allem nach ihrer kreativen Pause von 1986 bis 1999 präsentierten Madness auf ihren neueren Alben immer wieder melodramatische Popsongs wie “Elysium”, “Lovestruck” oder “Sugar And Spice”. Mit all diesen Perlen – und natürlich den frühen Ska-Nummern – gibt es ein Wiederhören auf dieser Guided Tour Of Madness: Ein gut gemachter Querschnitt auf drei CDs, leider fast ohne Exklusivmaterial, was den Kenner ein wenig ärgern wird. Und auch der zusätzlich beigelegte Madstock-Konzertfilm vom Bühnencomeback im Sommer 1992 war schon einzeln auf DVD erhältlich. Wie so oft bei solchen Boxsets bleibt also die Frage, ob das hübsche Ding überhaupt eine Zielgruppe finden wird: Wer die Band schätzt, braucht keine Führung mehr. Wer sie nur vom Hüpfen kennt, zuckt kalt mit der Schulter. An letztere: Es ist lohnenswert, sich eines Besseren belehren zu lassen.
weitere Platten
Oui, Oui, Si, Si, Ja, Ja, Da, Da
VÖ: 26.10.2012
Total Madness
VÖ: 25.09.2009
The Liberty Of Norton Folgate
VÖ: 19.06.2009
The Dangermen Sessions Volume 1
VÖ: 18.07.2005
Wonderful
VÖ: 01.01.1999