Es reicht vollkommen aus, sich auf seine Musik zu fokussieren, um Manchester-Orchestra-Mastermind Andy Hull als Lichtgestalt zu bezeichnen. Dass Hull als Pastorensohn christlich aufwuchs und er sich irgendwie mit Gott beschäftigt, klingt einleuchtend genug. Eröffnen wir keinen weiteren Fallon, sondern erfreuen uns am vierten Manchester-Orchestra-Album aus Hulls Feder, das er uns zugänglich macht. Zahlreiche weitere sollen auf der Festplatte des 27-Jährigen ruhen. Kaum zu glauben, verbringt der Film-Freak doch möglichst viel Zeit im Kino. Auf den Bildschirm haben ihn sein Songwriter-Talent und seine charismatische Stimme nun auch schon gespült. Ein Manchester-Orchestra-Song lief bei der Oscar-Verleihung, ein anderer wurde für den Soundtrack zu “Dallas Buyers Club” ausgewählt.
Dabei hatte sich die Band aus Atlanta/Georgia nach dem 2011 veröffentlichten, unter anderem mit Streicherensemble opulent instrumentierten und nach wie vor tollen Album Simple Math von der Idee verabschiedet, Songs auf Hochglanz zu polieren. Nicht zuletzt die 2013 spontan entstandene Split-Single mit Thrice hatte das angedeutet, auf deren A-Seite Manchester Orchestra zusammen mit OBrother unnachahmlich No Doubts “Don’t Speak” in einem 14-minütigen Jam coverten, diesen anschließend auf 500 Vinyls pressen ließen und davon etliche Dutzend verschluderten.
Auf “Cope” wird weder geschludert, noch aufpoliert: Mit den ersten Sekunden des eröffnenden Top Notch ist der gewünschte Schritt zurück, zu roheren, von Gitarren getriebenen Songs deutlich spür- und hörbar. Der Eindruck trügt nicht und hält sich bis zum elften und finalen, fast Doom-tiefen Titeltrack. Manchester Orchestra klingen 2014 wieder angriffslustig, “Cope” fokussiert sich auf Schlagzeug, Bass und vor allem auf seine Gitarren, die riffen, sägen, scheppern und quietschen, was sich aus Grunge, Alternative- und Emo-Rock herausholen lässt. Die harte Schale wird immer wieder von Andy Hulls Gesangsmelodien aufgebrochen, die den Songs obendrein eine Indierock-Affinität verleihen. Egal aus welcher musikalischen Richtung man sich nähert, scheitern kann man im Grunde nur an Hulls unweigerlich sehr präsenter (und großartiger) Stimme, die die Gitarren regelmäßig in die zweite Reihe verbannt. In “Top Notch” streckt sie die drei Worte “So give up” sieben mitgrölfähige Sekunden lang. Hull lässt sich und uns in den neuen Texten mehr Frei- und Interpretationsspielraum. Er wiederholt die entscheidenden, offenen Zeilen lieber mehrfach – viel wichtiger sind ohnehin die großen Melodien und die Dringlichkeit der Musik. “In Girl Harbor” überschlägt sich Hulls Stimme in der Zeile “There was nothing else to possibly say”, bevor sie am Ende unwiderstehlich wiederholt: “You waste so much time.” Das gilt definitiv nicht für “Cope”. Wer beim Hören dieses Albums nichts fühlt, wird diese Zeilen und dieses Magazin wahrscheinlich nicht lesen.
weitere Platten
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