Mantar
Post Apocalyptic Depression

Humor war schon immer Teil der Mantar-Erfahrung. Insofern ist es ein guter Witz, wenn Erinç Sakarya und Hanno Klänhardt vorab davon schwadronieren, dass der Vorgänger “Pain Is Forever And This Is The End” zu glatt und zu produziert geklungen hätte. Wer Songs wie “Hang ’Em Low (So The Rats Can Get ’Em)”, den Hit der Platte, im Kopf hat, kann darüber nur herzhaft lachen. Andererseits klingen Mantar auf “Post-Apocalyptic Depression” wirklich anders: unmittelbarer, dreckiger, mehr bei sich.
Um das zu erreichen, haben sich die beiden ins Studio gestellt und ihre Songs größtenteils live eingespielt. Wie gut das funktioniert hat, zeigt die erste Single “Halsgericht”, die vor Weihnachten 2024 reihenweise Nacken knacken ließ. Nicht nur erweitert der Song die deutsche Sprache um das Wort ‘Halsgericht’, er enthält auch die erste Strophe auf Deutsch im Mantar-Kosmos. Ihre Muttersprache hatten Klänhardt und Sakarya bislang stets dosiert eingesetzt, etwa im Refrain von “Era Borealis” auf “Ode To The Flame”. Diesmal wagen sie sich weiter aus der Deckung, aber es ist nicht zu befürchten, dass sie sich als die neuen Rammstein in Stellung bringen wollen – das machen die restlichen elf Songs deutlich.
An denen fällt etwas im Vergleich zum Vorgänger auf: Der Großteil ist kürzer als drei Minuten. Selbst wenn es mal jenseits der Vier-Minuten-Marke geht wie in “Halsgericht”, arrangieren Klänhardt und Sakarya den Song so, dass er auch schon nach drei Minuten enden könnte, indem sie einfach dessen Intro wiederholen. Mantar wagen also mehr Punkrock und bekommen so den ersten Royal Flush ihrer Karriere in die Hand.
Bislang war es so, dass es auf jedem ihrer Alben einen Überhit gab: “Hang ’Em Low (So The Rats Can Get ’Em)”, “Era Borealis” oder “Spit”. Jetzt kann man sich kaum für einen entscheiden. Ist es “Halsgericht”, der sympathische Soundtrack für den Weg zum Schafott, oder ist es “Rex Perverso”, der kleine Bruder von “Rex Everything”, oder doch eher “Cosmic Abortion”, in dessen Refrain Mantar ihre Herangehensweise maximal verdichten: „Kill, destroy, fuck shit up“. Dazu wummert ein Riff, das bei Bolt-Thrower-Fans die “Killchain” zum Klingen bringen dürfte. Auch gesanglich ist “Post-Apocalyptic Depression” mehrdimensionaler. Zwar beschränkt sich Klänhardt die meiste Zeit auf sein erprobtes asoziales Keifen, aber zwischendrin versucht er sich mit Erfolg an anderen Färbungen, etwa in “Dogma Down”, wo sich Mantars Liebe zum Noiserock manifestiert.
Wenn der Vorgänger sie als Band und Freunde an ihre Grenze gebracht hat, wie Klänhardt sagt, dann klingt “Post-Apocalyptic Depression” so, als wären die beiden nun so eng wie noch nie. In einer Welt, in der einem täglich dreistere Lügen aufgetischt werden, ist eine No-Bullshit-Band wie Mantar hochwillkommen, auch wenn Klänhardt betont, dass seine Texte nicht politisch gemeint seien. Aber manchmal reicht es, sich die Welt aus dem Metal-Baukasten aus Blut, Eiter und Kotze nachbauen zu können. Das nächste “Axe Death Scenario” wartet schon.
DNA:
Haust – “Negative Music” (Fysisk Format, 2024)
Auf der Suche nach einer ähnlichen No-Bullshit-Band wie Mantar, muss man gar nicht so weit zurückgehen. Hausts Comeback von 2024 nach fast zehn Jahren Pause verfügt über eine ähnliche Geisteshaltung. Es ist aber vor allem die gepresste Stimme von Sänger Vebjørn Guttormsgaard Møllberg, die einen an Klänhardts ähnlich anstrengende Art und Weise zu singen erinnert.
Bolt Thrower – “Those Once Loyal” (Metal Blade, 2005)
Nicht nur was das Riffing angeht, haben sich Mantar hier und da von den UK-Death-Metal-Schwergewichten beeinflussen lassen. Auch das DIY-Ethos der Band und die Konsequenz, mit der sie es verfolgen, sind für Mantar Vorbild. So wenig wie Bolt Thrower nach dem Tod von Schlagzeuger Martin Kearns weitermachen wollten, kann man sich Mantar ohne eins der beiden Mitglieder vorstellen.
Unsane – “Scattered, Smothered & Covered” (Ampethamine Reptile, 1995)
Der Noiserock-Einfluss in der Musik von Mantar auf “Post-Apocalyptic Depression” ist unüberhörbar wie etwa “Dogma Down” zeigt. Gerade Unsane mit ihrer metallischen Schlagseite im Sound scheinen Pate für Mantar gestanden zu haben. Man könnte aber auch genauso gut The Jesus Lizard nennen oder eine der Bands von Steve Albini, den man sich auch gut als Mantar-Produzent vorstellen könnte.
Zweitstimmen:
Jan Schwarzkamp: „Ich mag die Punk-Attitüde, die der Platte innewohnt. Mehr Rock’n’Roll in schlankeren Songs und ein Plus an Transparenz im Sound. Die Grungetown Hooligans sind zurück. Diesmal allerdings mit eigenen Songs.“
Dennis Plauk: „2025 geht gut los – mit einer wunderbaren Abreibung. Die etwas längere Pause hat den Evil Twins hörbar gut getan: ein Album mit mächtig Dampf unterm Kessel und ohne jeden Ausfall. Luftholen kann man später immer noch. Genial grimmig und angemessen asozial.“
weitere Platten
Pain Is Forever And This Is The End
VÖ: 15.07.2022
Grungetown Hooligans II
VÖ: 26.06.2020
The Modern Art Of Setting Ablaze
VÖ: 24.08.2018
The Spell (EP)
VÖ: 31.03.2017
Ode To The Flame
VÖ: 15.04.2016
Death By Burning
VÖ: 07.02.2014