Spät erscheint dieses Album auch bei uns. Der Hype um Bruder Rufus ebbt so langsam ab; Zeit also, sich mit Muße Marthas Songs zu widmen, die eines bestimmt nicht brauchen: familiäre Schützenhilfe. Denn selbstbewusster und prägnanter startete keine der vielen guten Singer/Songwriter-Platten der letzten Monate. Drei kurze Lieder leiten das Album ein: präzise Direktheiten über Erinnerungen, Entfernungen und Industriebarracken, die so wunderbar unverkünstelt wirken, dass der Nachname Wainwright nicht zu passen scheint. Zum Beispiel “G.P.T.”: Martha klaut den Melodieansatz bei “Somethin’ Stupid” und dreht das Lied in 2:44 Minuten so lange weiter, bis sie am Ende im Barjazz ankommt und in den swingenden Walzer “Factory” übergeht. Klingt wie die stärksten Momente von Rilo Kiley, eine geerdete Version der Dream-Pop-Veteranen Cocteau Twins oder eine besonnene Regina Spektor. Was besonders angenehm überrascht, ist die Abgeklärtheit dieser Lieder. Immerhin wuchs Martha als Tochter von Chef-Zyniker Loudun Wainwright III in einer sehr chaotischen, komischen Künstlerfamilie auf. Nur der kraftvollste Song der Platte lässt vermuten, dass in der Person Martha Wainwright noch nicht alle Pole ausgewogen sind – und der heißt dann gleich ganz plakativ “Bloody Motherfucking Asshole”, in dem sich Martha wünscht, als Mann geboren zu sein. Bruderherz Rufus denkt da ganz anders. Komische Familie, wie gesagt.
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